Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
Selbst wenn man Faktoren wie Geburtenkontrolle (Verhütungsmittel), Armut und Einkommensdisparitäten in der statistischen Analyse berücksichtigt, so bleibt der Zusammenhang trotzdem unbeeinträchtigt bestehen: Je höher der Anteil dicker Frauen, desto mehr Geburten im Land. Betrachtet man zusätzlich die aktuellen Befunde der Stressforschung, so zeigt sich, dass ein dauerhaft erhöhter Spiegel von Sresshormonen im Blut die Fruchtbarkeit senkt. Auch in der Frage der Empfängnis wägt das Gehirn ab, ob eine Schwangerschaft aus energetischer Sicht zugemutet werden kann, erfolgversprechend ist oder eher eine zu hohe Belastung darstellt. Analysiert man dann noch die klinischen Studien zur Fruchtbarkeit von Frauen genauer, so zeigt sich, dass die dünnen Frauen mit vermehrtem Bauchfett (was ja ein klinischer Marker für zurückliegenden Dauerstress ist) die gestörtesten Funktionen ihrer Reproduktivität aufwiesen; dass aber die Frauen mit hohem BMI (ohne viszerales Bauchfett) die besten Reproduktionsfunktionen hatten.
Zusammenfassend ergibt sich nach der neuen Befundlage: Wer als Typ B in einer unsicheren Welt lebt, behält einen robusten, ausgeglichenen Hirnstoffwechsel, nimmt zwar Gewicht zu, erhält damit aber seine biologische Fitness. Typ A büßt einen Teil seiner biologischen Fitness unter gleichen stressigen Lebensbedingungen ein.
Arteriosklerose: Die so genannte Verkalkung der Blutgefäße, die bis heute vielfach zu fetthaltiger Ernährung zugeschrieben wird, ist nach heutiger Erkenntnis der Stressforschung eher Nebenwirkung eines jahre- oder jahrzehntelang überlasteten hochreaktiven Stresssystems (Cortisol) – also eine Stressfolgeerkrankung, die für Menschen der Gruppe A typisch ist. Der dickere Typ B ist dagegen vor Arteriosklerose eher geschützt. Dieses belegt eindrucksvoll eine große britische Stressstudie: Die Studienteilnehmer unterzogen sich einem Stresstest und wurden nach ihren Cortisolwerten in zwei Gruppen geteilt: die hochreaktiven und die niedrig-reaktiven. Wer nun zur hochreaktiven Gruppe gehörte und während der vergangenen 15 Jahre psychosozialen Stressbelastungen ausgesetzt war, hatte ein drastisch erhöhtes Risiko, Arteriosklerose an den Herzkranzgefäßen zu entwickeln. Wer allerdings niedrigreaktiv war, hatte bei gleichen Langzeitbelastungen ein sieben fach geringeres Risiko für Herzgefäßverkalkungen. Ein genauso geringes Risiko wie diese Untergruppe hatten auch alle anderen Teilnehmer, die nicht psychosozial belastet waren. Weitere Studien bestätigen den Einfluss von Stressbelastung und Stressreaktivität auf die Entwicklung von Arteriosklerose sowohl an Herz- wie auch an Hirngefäßen. Es konnte sogar nachgewiesen werden, dass Menschen, deren Amygdala auf Stressreize weniger anspricht, ein geringeres Risiko haben, Arteriosklerose an den großen hirnversorgenden Gefäßen zu entwickeln.
Hoher Blutdruck: Auch dies ist ein medizinisches Paradoxon. Obwohl die meisten Menschen (auch viele Ärzte) vermuten würden, dass Menschen mit hohem Körpergewicht auch ein höheres Risiko von Bluthochdruck aufweisen, ist dies ein Mythos. Im Gegenteil: Dünnere Menschen entwickeln unter langanhaltendem Stress häufig neben dem »Stressbauch« einen erhöhten Blutdruck. Dies ist auch Ausdruck einer instabilen Energieversorgung des Gehirns. Denn mit dem erhöhten Druck werden, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, mehr Blut und damit auch mehr Nährstoffe ins Gehirn gepumpt. Die Umprogrammierung des Gehirns auf einen höheren Blutdruck ist daher ebenfalls als eine Strategie zu betrachten, Engpässen in der Energieversorgung entgegenzuwirken. Bei dicken Menschen ist es genau umgekehrt. Berücksichtigt man in den Studien die Zusammenhänge zwischen Bluthochdruck einerseits und BMI und »Stressbauch« andererseits, so zeigt sich: Je höher der BMI , desto geringer das Risiko, einen hohen Blutdruck zu entwickeln.
Herzinfarkt: Dass Menschen des Typs A hier schwerer betroffen sind, ist logische Folge des erhöhten Arteriosklerose-Risikos. Aber auch das instabile Verhalten des Herz-Kreislauf-Systems, zum Beispiel Blutdruckspitzen bei Aufregung, ist für das Herz belastend und triggert kardiovaskuläre Ereignisse wie Angina Pectoris und Herzinfarkt. Bevölkerungsstudien zeigen klar, dass das Risiko, einen Infarkt zu erleiden, bei dünnen Menschen höher ist als bei dicken. Und: … dass das letale Risiko eines Infarkts bei Menschen des A-Typs wesentlich größer ist. Das wurde ja bereits in Kapitel »
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