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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Körpergewicht nimmt demzufolge ab, und der Blutzucker steigt. Genau diese Veränderung ließ sich klinisch und experimentell bei zerebraler Mangeldurchblutung nachweisen. So haben die meisten Schlaganfallpatienten in der Krankenhaus-Notaufnahme erhöhte Blutzuckerwerte, obwohl sie vor dem Schlaganfall nie einen Diabetes oder auffälligen Glukosestoffwechsel hatten. Kliniker nennen dieses Symptom »Poststroke Hyperglycemia«. Das Hirn lässt sich jetzt unter den schwierigen Durchblutungsverhältnissen vermehrt durch ein höheres Glukoseangebot aus dem Blut versorgen. Eine Notfallstrategie. Ein solches Ausweichmanöver des Gehirns ist auch bei langsam sich entwickelnder zerebraler Mangeldurchblutung sinnvoll und lebensrettend. Bei Stresstyp A spielt eine durch fortschreitende Arteriosklerose bedingte zerebrale Minderdurchblutung eine wesentliche Rolle für die Entwicklung eines Typ- 2 -Diabetes mellitus. Eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels kann also als eine Strategiemaßnahme sowohl des Typs A als auch des Typs B angesehen werden, um jeweils die Glukoseversorgung des gestressten Gehirns sicherzustellen.
    Eingeschränkte Mobilität, Arthrose: Hier sind die schwergewichtigeren Menschen des B-Typs natürlich im Nachteil: Ihre Beweglichkeit und ihre Ausdauer sind aufgrund des hohen Körpergewichts eingeschränkt, die zusätzliche Last birgt das Risiko, dass Gelenke schneller verschleißen (Arthrose). Man beachte, dass in der Tabelle oben bei »Mobilität« und »Arthrose« beim Typ B ein »Pluszeichen« steht, aber bei Typ A kein »Minuszeichen« ist. Das Bauchfett spielt für Mobilität und Arthrose keine große Rolle, aber es ist nach Studienlage auf keinen Fall ein Schutzfaktor, welcher die Entwicklung des Merkmals verhindert. Denn sonst bedeutet (–) in der Tabelle »Schutzfaktor« und nicht »bedeutungslos«.
    Der Grund, dass dicke Menschen nicht so weit laufen können, hängt übrigens nicht ausschließlich mit der Traglast ihres hohen Körpergewichts zusammen, sondern beruht viel mehr auf einem Phänomen, das Sportwissenschaftler »Central Fatigue« (zentrale Müdigkeit) nennen. Dieses Phänomen hängt mit der niedrigen Reaktivität ihres Stresssystems zusammen. Ein Mensch vom Typ B nimmt unter Stress an Gewicht zu und hat einen Ruhepuls von 85 /min (unbelastete Menschen haben 60 – 80 /min). Fängt er an zu laufen, steigt sein Puls lediglich auf 110 /min an (unbelastete Menschen steigen auf 1 40 /min). Jetzt bahnt sich eine Energieversorgungskrise des Gehirns an, weil das niedrige Ansprechen des Stresssystems nicht ausreicht, um ausreichend Blutglukose für das Gehirn freizusetzen – die wird stattdessen zum Großteil in der Muskulatur verbrannt. Für das Gehirn des Typs B ist dies ein Warnsignal, und es unterbindet jetzt aus Sicherheitsgründen alle Befehle zu Körperbewegungen. Das empfindet der Typ-B-Mensch als die »Wand«. Seine eingeschränkte Mobilität beruht also auf zentraler Müdigkeit – und die Weichen dafür können schon früh im Leben gestellt werden: Eine neuere Studie an britischen Kindern zeigt, dass hohes Körpergewicht einer eingeschränkten Mobilität vorausgeht und nicht umgekehrt, wie bislang angenommen, hohes Körpergewicht einem Bewegungsmangel nachfolgt. Dicke Kinder werden also nicht dick, weil sie sich zu wenig bewegen, sondern ihr Dicksein ist lediglich der physiologische Ausdruck ihrer durch den Hirnenergiestoffwechsel bedingt eingeschränkten Mobilität. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Setzt man dicke Kinder auf eine Reduktionskost – um die »träge Last ihrer Pfunde« zu beseitigen –, bringt man ihre Gehirne in kritische Energieversorgungsengpässe. Ihr Cortisol geht hoch, Stresssymptome wie schlechte Stimmung bis hin zu neuroglykopenischen Leistungseinbußen des Gehirns, etwa Konzentrationsabfall, sind die Folge.
    Fasst man die einzelnen in der Tabelle oben aufgeführten und hier näher erläuterten Punkte zusammen, wird deutlich, dass unser lange gelerntes Verständnis von einem gesunden Körper einer umfassenden Revision bedarf. Es wird deutlich, dass Stress und sein Sendbote, das Cortisol, einen enormen, bisher völlig unterschätzten Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Wir wissen jetzt, dass die Habituationsstrategie des Gehirns, in unsicherer Lebenssituation das Stresssystem zu dämpfen und die Energieversorgung umzustellen, enorme gesundheitliche Vorteile bietet – auch wenn dies um den Preis der Gewichtszunahme erkauft werden muss. Und, um allen möglichen

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