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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Kalorienbeschränkung profitieren würden? Nach den experimentellen Befunden der Selfish-Brain-Forschung ist diese Frage eindeutig mit »nein« zu beantworten. Wie schon gezeigt, ist bei Menschen vom Typ B unter Stressbelastung das Stresssystem niedrigreaktiv geworden. Deshalb ist eine vermehrte Nahrungsaufnahme notwendig, um den Hirnstoffwechsel im Gleichgewicht zu halten. In dem Moment, wo man diese Überlebensstrategie in stressvoller Umgebung »rückgängig« macht und das Nahrungsangebot beschränkt, wird der Hirnstoffwechsel wieder destabilisiert. Das heißt, es vermehrt sich nun entweder die allostatische Last, oder es kommt zu einer Neuroglukopenie. Dass beides tatsächlich eintritt, konnte bereits experimentell mehrfach bei Menschen unter Reduktionsdiät und bei gezügelten Essern belegt werden. Beide experimentell beobachteten Nebenwirkungen unterstützen die Sicht, dass allostatische Last und Neuroglukopenie unter Kalorienreduktion bei dicken Menschen sich ungünstig auf die Lebenserwartung auswirken. Somit ist eine Übertragbarkeit der Tierbefunde zur Langlebigkeit durch Kalorienreduktion speziell auf dicke Menschen noch eine weitere Stufe unsicherer geworden.
    Alle verfügbaren Studien, die es zu den Auswirkungen von Kalorienreduzierung gibt, zeigen, dass die zu erwartenden Effekte auf die Lebenserwartung beim Menschen negativ sind. Und im Grunde müssten wir uns an dieser Stelle auch gar nicht mit einer Primatenstudie beschäftigen, die zu einem abweichenden Ergebnis kommt, wenn es die eine Evidenzklasse- 1 -Studie zu den Auswirkungen des Abnehmens auf die Lebenserwartung beim Menschen gäbe. Hier könnte eine einzige Forschungsarbeit – wie sie bei Prüfungen neuer medikamentöser Therapien durchaus üblich ist – diese Diskussion beenden.
    Kehren wir nach diesem Exkurs zur eigentlichen Fragestellung zurück: Worin bestehen die Lasten und Kosten, die ein Mensch zu tragen hat, der unter dem Einfluss von chronischem Stress steht?
    Mehr essen heißt auch mehr zahlen – was kostet es, ein B-Typ zu sein?
    Genug Nahrung zu bekommen, ist eigentlich heute kein Problem – zumindest nicht in den relativ reichen Industrienationen. Aber dennoch stellt sich auch hier die Frage der finanziellen Kosten. Wir haben in unserer Lübecker Forschungsgruppe berechnet, wie viel höher die Lebenshaltungskosten eines Menschen vom Typ B im Vergleich zu einem Vertreter der Gruppe A sind. Zugrunde gelegt haben wir das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen eines erwachsenen Bundesbürgers: 1300 Euro. Gehört er zum Typ A und hat zum Beispiel einen BMI von 22 (das ist recht schlank), hat er einen Bedarf für Essen, für den er monatlich zirka 360 Euro ausgeben muss (auf der Basis von drei Mahlzeiten täglich, durchschnittlichem Einkaufsverhalten, ohne Restaurantbesuche oder ähnliches). Wer dagegen einen BMI von 39 (ziemlich dick) aufweist, muss zur Bedarfsdeckung seines Gehirns deutlich mehr Geld fürs Essen ausgeben – nämlich zirka 520 Euro. Diese Kosten eines effektiven Stressmanagements des Gehirns lassen sich also auch in Geld bemessen. Oder anders gesagt: Sich vor Stress effektiv zu schützen, kann einen nicht unerheblichen Teil des Einkommens beanspruchen. Besonders prekär wird diese Situation bei jemandem, der Hartz IV empfängt. 2012 beträgt der darin enthaltene Satz für Lebensmittel nämlich nur 132 , 77 Euro. Das wird für den schlanken Hartz-IV-Empfänger mit BMI 22 schwierig und kritisch für einen Menschen, der einen BMI von 39 hat. Auch bei Kindern liegt derzeit der Lebensmittelsatz, den die Hartz-IV-Bürokraten vorgesehen haben, mit 77 Euro unter dem vom Forschungsinstitut für Kinderernährung berechneten Bedarfssatz von 84 Euro. Diese Zahlen erklären zumindest teilweise, warum in deutschen Städten die Schlangen vor Essensausgaben der gemeinnützigen Tafeln oder vor Suppenküchen immer länger werden.
    An diesem Punkt taucht aber ein weiteres gravierendes Problem auf, das bereits in den krisengeschüttelten Stadtteilen US -amerikanischer Großstädte beobachtet und untersucht wurde. Amerikanische Stressforscher nennen es »Food insecurity« – die Unsicherheit, genug Nahrung für sich und die Familie zu haben. Vor allem Mütter, die sich besonders verantwortlich für die Ernährung ihrer Kinder fühlen, sind betroffen. Die sehr knapp bemessenen Sozialhilfesätze führen regelmäßig dazu, dass trotz aller Sparmaßnahmen vor dem Ende des Monats Essen knapp wird. Jetzt müssen die Betroffenen

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