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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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amerikanischen Studien an Rhesusaffen publiziert, die über einen Zwanzig-Jahres-Zeitraum auf reduzierte Rationen gesetzt wurden. In dieser ersten Publikation wurde beobachtet, dass unter Kalorienreduzierung eine Lebensverlängerung eintritt. Die sparsam gefütterten Tiere nahmen durchschnittlich 25 Prozent ihres Körpergewichtes ab und waren damit »untergewichtig«. Tatsächlich zeigt sich hier aber bereits das Kernproblem der Untersuchung: Es besteht in der Frage der Übertragbarkeit auf den Menschen. Man weiß aus der Primatenforschung, dass es bei Tieren in Zeiten der Nahrungsknappheit zu einer spezifischen Stoffwechsel-Umstellung kommen kann: Der Hirnstoffwechsel der Affen bleibt dabei im Gleichgewicht, weil der Körper in die so genannte »Dauer Diapause« – eine Art »Winterschlaf« – eintritt. In diesem Zustand sind im Körper alle Wachstumsfunktionen abgeschaltet. Wesentliche Lebens- und Körperfunktionen wie Fortpflanzung werden auf Eis gelegt. Der Alterungsprozess ist quasi angehalten. Das Leben macht gewissermaßen Pause, bis wieder ausreichend Nahrung vorhanden ist. Das verlängert die Lebensdauer und spart enorm viel Energie ein, so dass das Gehirn sich nicht abmühen muss, an seinen Energieanteil zu kommen. Somit bleibt das Gehirn voll funktionsfähig – ohne dass eine allostatische Last entsteht. Wie gesagt, bei Primaten kann dieses System unter bestimmten Voraussetzungen funktionieren, beim Menschen im psychosozialen Kontext unserer Lebensumstände ist eine derartige Anpassung fraglich. Wie komplex und widersprüchlich der Effekt sein kann, zeigt die zweite groß angelegte Langlebigkeitsstudie an Affen. Sie wurde am 13 . September 2012 publiziert und kam zu einem gegenteiligen Ergebnis: Denn in dieser Untersuchung war kein lebensverlängernder Effekt unter Kalorienbegrenzung nachzuweisen.
    Zur Frage, ob diese Befunde an Rhesusaffen auf den Menschen übertragen werden dürfen, äußerte sich der Leiter der zweiten Studie Donald Ingram vom NIA bereits vor Jahren: »Wir gehen davon aus, dass wir das nie mit Sicherheit werden beantworten können.« Doch selbst wenn wir als Arbeitshypothese eine mögliche Übertragbarkeit annehmen, stellt sich hier das nächste Problem: Auf wen könnten die Befunde – wenn überhaupt – anwendbar sein? Der Forschungszweig zur Kalorienbeschränkung und Langlebigkeit hatte es sich zum zentralen Ziel gesetzt, die Mechanismen von Alterungsprozessen im Organismus aufzuklären. Und die ersten Ergebnisse an Tieren fanden insbesondere in einer besonders gesundheitsbewussten Community Beachtung, mittelalten Menschen, meist asketisch, die sich gesund ernähren (oft Vegetarier sind) und sich körperlich sehr viel bewegen. Was ist aber mit Menschen, deren Stresssystem überlastet ist? Was ist mit dicken Menschen, die zum Stresstyp B gehören? Diese Fragen lässt die Primaten-Studie zur Langlebigkeit durch Kalorienreduzieren völlig unbeantwortet. Und nachdem jetzt klar wird, dass in der neuen Publikation zu den Rhesusaffen der erhoffte Lebensverlängerungs-Effekt ausblieb, hat sich bezüglich der Übertragbarkeit der Befunde auf den Menschen die Unsicherheit deutlich verstärkt.
    Ebenfalls von zentraler Bedeutung für die Beurteilung dieser Forschungen ist die Überlegung, welche Gründe dafür verantwortlich sind, dass in den beiden Studien widersprüchliche Beobachtungen gemacht wurden. Einer der viel diskutierten Faktoren, die dafür verantwortlich sein könnten, ist Stress. Aufgrund von Gewichtsunterschieden der Rhesus-Affen in den beiden Studien stellt sich die Frage: Waren die Tiere der Studie, in der die Diapause ausblieb, mehr gestresst? Waren die Umstände der Tiergefangenschaft (denn es handelte sich weder im einen noch im anderen Fall um Experimente unter natürlichen Lebensbedingungen in der Wildnis) anders? Denkbar ist auch, dass der lebensverkürzende Effekt der allostatischen Last unter Stress den lebensverlängernden Effekt des Diapause-Zustandes wieder aufhebt. Fragen, die zu klären sind.
    Genau wie bei den bariatrischen Operationen gibt es auch zu kalorienreduzierenden Diäten keine Human-Studien der Evidenz-Klasse- 1 , die belegen würden, dass Abnehmen einen positiven Effekt auf die Lebenserwartung hat. Das ist der derzeitige Stand der wissenschaftlichen Forschung. Doch ist überhaupt eine Evidenz zu erwarten, dass Typ-B-Menschen, deren Stresssystem in einer unsicheren Umgebung im Sinne einer Überlebensstrategie habituiert ist, von einer

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