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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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empfunden wird, zu artikulieren. Und das ohne Aggressivität und ohne eine Vorwurfshaltung, um so dem Gegenüber die Chance zu geben, sein Verhalten neu zu betrachten, zu überdenken, den anderen anders und hoffentlich besser wahrzunehmen und sein eigenes Verhalten zu verändern. Mellin weist darauf hin, dass nicht nur Klarheit, sondern auch eine Wiederholung dieser neuen Form der Kommunikation wichtig für den Erfolg ist. Dazwischen wird immer wieder Bilanz gezogen: Hat sich etwas verändert, werden meine Bedürfnisse und Wünsche besser wahrgenommen und ernster genommen? Wie fühlt sich das für mich an? Mellin macht ihre Patienten mit einem Verfahren vertraut, mit dem jeder den Prozess ständig aktivieren beziehungsweise reaktivieren und überprüfen kann. Dabei kann es passieren, dass man an den Punkt gelangt, wo eine Trennung – vom Partner oder von einem Job – unausweichlich wird. Eine solche Trennung kann ein wichtiger Teil dieses Entwicklungsprozesses sein und wiederum der Anfang von etwas Neuem, das nach Mellins Methode früher oder später zum gewünschten Ergebnis führt: Lösung von Lebenskonflikten, stressärmeres und bedürfnisorientiertes Leben. Übrigens: Einer der bemerkenswerten Nebeneffekte bei Mellins Patienten ist Gewichtsstabilität – ohne irgendeine künstliche Beschränkung ihrer Nahrungsaufnahme (Letzteres würde Mellin übrigens als »Diätismus« bezeichnen). Viele ihrer Patienten hatten unter dem Einfluss von toxischem Stress stark zugenommen, bevor sie mit der Behandlung begonnen haben. Diese besteht wie in den schwedischen Studien aus etwa 20 Gruppensitzungen à zwei Stunden über einen Zeitraum von einem Jahr. Danach haben die meisten der Teilnehmer Gewicht verloren oder sind stabil geblieben.
    Mit therapeutischen Ansätzen wie denen von Laurel Mellin kann es offenbar gelingen, die, um noch einmal im Bild zu bleiben, Haifische aus seinem persönlichen Becken zu vertreiben. Der Aufwand ist allerdings nicht gering (ebensowenig wie die Kosten): Zwölf Monate Sitzungen mit der Therapeutin, dazu Hausaufgaben für die Patientinnen und Patienten und im Idealfall das Weiterbestehen der Gruppe nach Beendigung der Therapie – dann ohne Therapeutin –, um sich weiterhin zu unterstützen und zu stabilisieren. Aber es ist zumindest ein möglicher Weg, zu einem stressbefreiten Leben zu finden. Also zu einem Leben, in dem psychosoziale Stressoren keinen toxischen Einfluss mehr haben. Das ist ein hohes Gut.
    Da toxischer Stress nicht nur bei der Entstehung schwerwiegender Erkrankungen eine zentrale Rolle spielt, sondern auch eng mit der weltweiten so genannten »Gewichtsepidemie« verknüpft ist, gilt es, dieses hohe Gut eines stressärmeren Lebens in den Mittelpunkt aller künftigen gesundheitspolitischen Bestrebungen zu stellen. Diese Forderung an Politik und Gesellschaft ergibt sich aus dem Gesamtbild aller erstklassigen wissenschaftlichen Studien zum Thema. Wie das beispielsweise aussehen könnte, machen Länder wie Schweden vor, die durchaus Vorbildcharakter haben. Wir haben ja bereits im Kapitel »Niemand ist eine Insel« Näheres darüber erfahren. So ist Ungleichheit und der damit verbundene toxische Stress die Ursache dafür, dass viele Menschen dick werden. Und im Kapitel »Nimm doch endlich ab!« haben wir gesehen, dass die Diskriminierung, die dicke Menschen erleiden, ein Instrument ist, um sie in der Arbeitswelt zu benachteiligen und so die soziale Ungleichheit noch zu vergrößern. Damit schließt sich ein Teufelskreis: ungleich – dick – ungleicher – dicker … Um diese fatale Entwicklung rückgängig zu machen, sind Antidiskriminierungsprogramme dringend nötig. Und es braucht sachliche Aufklärung und tiefes Verständnis für die neurobiologischen Vorgänge im unserem Inneren, damit den Menschen klar wird: Niemand ist an seinem Dicksein schuld. Eine Gesellschaft, die sich der Gefährlichkeit von toxischem Stress bewusst ist und dem entgegenwirkt, macht sich auf den Weg, einige der großen Probleme unserer Zeit zu lösen – und Dickleibigkeit als Folge von toxischem Stress ist nur eines von ihnen. Das ist natürlich eine lange Strecke voller Widerstände, auf der sehr viel Geduld und Überzeugungsarbeit gefragt sind. Dazu werden auch viele Diskussionen gehören. Es war noch nie einfach, altes Wissen durch neues zu ersetzen – vor allem dann nicht, wenn es um etwas so Fundamentales wie unser Essverhalten geht. Ich persönlich freue mich auf die Debatten, über jedes

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