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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Er ist der Bruder meiner Mutter.“
    „Dann ist sein Tod für Sie, als wäre zum zweiten Mal Ihr Vater gestorben?“
    „Nein, nicht ganz so“, sagte d’Albret. „Er hat selbst immer gesagt: Ich versuche nicht, dein Vater zu sein. Den kann dir niemand ersetzen. Ich versuche nur, wie ein Vater zu sein.“
    „Das hört sich irgendwie richtig an. Angemessen.“ MacLoughlin schwieg eine Weile.
    „Es erscheint da natürlich naheliegend, dass Sie Priester geworden sind.“
    D’Albret lachte. „Sie haben eine falsche Vorstellung von meinem Lebenslauf. Ich bin viel mit ihm gereist, und natürlich hat er mich im Glauben unterrichtet. Aber mit 16 hatte ich völlig andere Pläne. Später habe ich als Sozialarbeiter in den Vororten von Paris gearbeitet. Dann erst habe ich mit dem Theologiestudium angefangen.“
    Der Priester schaute auf das Buch in seinen Händen. „Bertrand hat im Buch Hiob Trost gefunden, als er erfahren hat, dass er bald sterben würde. Und jetzt suche ich Trost darin, weil er tot ist.“
    „Ich habe das Buch nie verstanden“, sagte MacLoughlin nachdenklich. „Hiob empfindet es als ungerecht, dass er, der doch ein Gerechter ist, so viel erleiden muss. Hatte er denn nicht recht? Immerhin hat Satan, mit der Erlaubnis Gottes, Hiobs Kinder und Knechte sterben lassen, seine Gesundheit ruiniert und seinen Reichtum vernichtet. Und zwar nur wegen einer Wette zwischen Gott und Satan, der behauptet, Hiob wäre nur gläubig, solange es ihm gut geht.“
    „Wie wäre ein Mensch gerecht vor Gott?“ D’Albret faltete die Hände im Schoß.
    „‚Fern ist es Gott, unrecht zu tun und Frevel zu üben‘, sagt Hiobs Freund Elihu“, entgegnete MacLoughlin. „Andererseits …“
    „Sie kennen die Bibel gut. Erstaunlich, dass Sie ihre Botschaft so vehement ablehnen.“ D’Albret schlug das Buch auf seinem Schoß auf. „Wahrhaftig, nie tut Gott unrecht, ssett unreder Allmächtige beugt nicht das Recht.“ Er breitete die Arme aus. „Wer hat ihm die Erde anvertraut, wer den Erdkreis hingestellt? Nicht ists an Gott zu sagen: ‚Geirrt habe ich, ich machs nicht wieder falsch.‘“
    Er kniff die Lippen zusammen. „Sie haben mich gefragt, ob ich im Buch Hiob Trost finden kann. Die Antwort ist ja. Elihu macht Hiob klar, wie albern seine Ansprüche auf göttliche Gerechtigkeit sind.“
    Der Priester zeigte in die Höhe. „‚Schau den Himmel an und sieh‘, sagt Elihu. ‚Blick zu den Wolken auf hoch über dir! Wenn du gesündigt hast, was tust du ihm, sind zahlreich deine Frevel, was schadest du ihm? Tust du recht, was gibst du ihm? Menschen wie dich trifft dein Frevel, dein Gerechtsein nur die Menschenkinder.‘“
    „Gott erwartet also, dass wir uns untereinander anständig verhalten. Dass er sich aber uns gegenüber anständig verhält, dürfen wir nicht erwarten?“
    „Wir sind doch nicht in der Position, etwas von Gott zu erwarten.“ D’Albret blätterte in der Bibel „‚Steh still‘, sagt Elihu zu Hiob, ‚um die Wunder Gottes zu betrachten. Weißt du, wie Gott ihnen Auftrag gibt, wie das Licht seiner Wolke aufstrahlt? Weißt du um der Wolke Schweben, um die Wunderwerke des Allwissenden …?‘“
    „Es ist schon klar, dass Gott Dinge können soll, die wir nicht können“, warf MacLoughlin ein.
    „Den Allmächtigen ergründen wir nicht, er ist erhaben an Macht und Recht, er ist reich an Gerechtigkeit; Recht beugt er nicht.“
    „Aber ich verstehe nicht, von welchem Recht, von welcher Gerechtigkeit Elihu spricht, wenn wir den Allmächtigen doch nicht begreifen können?“
    D’Albret fuhr unbeirrt fort: „Da antwortete der Herr dem Hiob aus dem Wettersturm und sprach: ‚Wer ist es, der den Ratschluss verdunkelt mit Gerede ohne Einsicht? Wo warst du, als ich die Erde gegründet? Wer setzte ihre Maße? Wer hat ihren Eckstein gelegt, als alle Morgensterne jauchzten, als jubelten alle Gottessöhne?‘“
    „Weil Gott also so groß ist, kann Hiob nicht wagen, sich bei ihm zu beklagen“, fasste die Irin zusammen. „Das wäre anmaßend. Aber …“
    „Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, dem Frührot seinen Ort bestimmt, dass es der Erde Säume fasse und dass die Frevler von ihr abgeschüttelt werden? Haben dir sich die Tore des Todes geöffnet …?“
    MacLoughlin hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe das schon verstanden.“
    „Da antwortete der Herr dem Hiob aus dem Wettersturm und sprach: ‚Willst du wirklich mein Recht zerbrechen, mich schuldig sprechen, damit du recht

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