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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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behältst? Hast du denn einen Arm wie Gott, dröhnst du wie er mit Donnerstimme? So schmücke dich mit Hoheit und mit Majestät und kleide dich in Prunk und Pracht! Lass die Fluten deines Zornes sich ergießen, schau an jeden Stolzen, demütige ihn! Zertritt die Frevler auf der Stelle! Verbirg sie insgesamt im Staub. Dann werde auch ich dich preisen, weil deine Rechte den Sieg dir verschaffte.‘“
    MacLoughlin stand auf und hockte sich an den Rand des Pools. Sie fingerte ein abgerissenes Farnblatt von der Wasseroberfläche. „Ich weiß nicht, so ein Auftritt mit Donnerstimme in einem Wettersturm ist sicher ziemlich beeindruckend“, sagte sie leise. „Gott scheint es ziemlich wichtig zu sein, über Hoheit und Majestät, Prunk und Pracht und Fluten des Zornes zu verfügen.“
    Sie ließ sich auf den Stuhl neben d’Albret fallen und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Aber denken Sie mal an das Ende der Geschichte. Hiob ist einsichtig. Daraufhin mehrt der Herr seinen Besitz auf das Doppelte. Auch bekommt er sieben Söhne und drei Töchter. Genauso viele, wie Satan zuvor hat sterben lassen.“ Sie schaute d’Albret an. „Ist das nicht unglaublich?“
    Der Priester erwiderte ihren Blick neugierig. „Was meinen Sie?“
    „Gott selbst hatte sich von Satan in Versuchung führen lassen. Er wollte dem Teufel demonstrierund demonsen, wie unerschütterlich der Glaube der Menschen an ihn sein konnte. Hiob wurde zur Spielfigur einer Wette zwischen Gott und dem Teufel. Alle Kinder Hiobs und die Knechte mussten sterben, um einen einzigen Menschen zu prüfen. Das …“ MacLoughlin stockte. „Ganz ehrlich, da fehlen mir die Worte. Und als Gott das Spiel gewonnen hat, bekommt Hiob zum Trost neue Kinder.“ Sie beugt sich vor. „Nicht die alten Kinder werden zum Leben erweckt. Nein, die sind verloren. Von den Knechten ganz zu schweigen. Spielbälle auf dem Billardtisch Gottes.“ Sie hatte das Farnblatt in ihren Händen zu einer kleinen, faserigen grünen Kugel geformt, die sie jetzt ins Wasser fallen ließ. „Versenkt im Duell mit Satan.“
    Sie wandte sich dem Priester zu. D’Albret blickte in den Himmel hinauf. MacLoughlin war nicht sicher, ob er ihre Worte überhaupt gehört hatte.
    „Wenn Ihnen das Buch Hiob hilft, dann ist es natürlich ein ziemlich dummer Augenblick, um darüber zu diskutieren. Aber ich verstehe eben nicht …“ Sie brach ab.
    Für eine Weile herrschte Schweigen. Leise Musik klang aus dem Restaurant herüber.
    „Wissen Sie“, sagte MacLoughlin schließlich, „ich selbst finde den Gedanken an den Tod unerträglich. Wenn es mir bewusst wird, dass mein Leben vorbeigehen wird, und dann … nichts mehr, nichts! Keine Leere, kein Irgendetwas, sondern einfach nur nichts. Da könnte ich heulen und schreien und um mich schlagen. Ich will ewig leben. Ich will sehen, wie es weitergeht … bis alles irgendwie gut ist. Aber … na ja. Ich sage mir immer, das ist so wie schlafen. Da bin ich ja auch irgendwie jeden Tag für eine Weile völlig weg, wie tot. Und das macht mir, während ich schlafe, nichts aus.“
    Sie schaute d’Albret an. Der Priester war in seinem Stuhl zusammengesunken. Sein Gesicht lag im Schatten.
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es ist wirklich der falsche Zeitpunkt für ein solches Gespräch.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. „Es tut mir wirklich leid, was mit Merdrignac passiert ist.“
    D’Albret schwieg. Seine Finger glitten über dem Einband der Bibel hinauf und hinunter. Es war offensichtlich, dass er nicht mehr reden wollte. MacLoughlin nickte. Langsam richtete sie sich auf. „Ich lasse Sie dann wieder allein“, sagte sie. Einen Augenblick wartete sienoch ab. Dann erhob sie sich. „Gute Nacht.“
    Beim Gehen sah sie noch, wie d’Albret sich wieder in seine Bibel vertiefte.
    Brea MacLoughlin betrat mit müden Schritten das Restaurant. Ihr Blick fiel auf die Bar. Plötzlich verspürte sie große Lust, sich zu betrinken. Das würde sie natürlich nicht tun. Dafür hatte sie sich zu gut unter Kontrolle. Aber nichts sprach gegen einen Drink und eine Zigarette, um sich ein wenig zu entspannen. Sie setzte sich an die Theke und bestellte einen Pisco Sour.
    Gedankenverloren starrte sie in das Glas mit der gelben Flüssigkeit.
    Der Glaube würde dem Priester vermutlich wirklich helfen. In Momenten wie diesen war sie versucht, es den Betroffenen zu wünschen.
    Bei dem Gedanken an den Tod griffen ihr selbst kalte Finger nach dem Herzen.
    Aber an etwas zu glauben, nur

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