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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Glauben sei gut, weil Jesus Nächstenliebe gefordert hatte. Und es stimmte ja: Würden sich alle daran halten, wäre die Welt ein besserer Ort. Aber seine Forderung war unrealistisch und hing ab stisch un" wab stis vom Glauben an das Jenseits. Ohne diesen Glauben war alles, was er gesagt hatte, bedeutungslos.
    Immer wieder führten die Fragen des Glaubens zum Trost spendenden Gedanken des Jenseits. Aber was wusste man davon? Dem Papst zufolge ahnten Christen vom ewigen Leben, dass es wie der erfüllte Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe war, in dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gab. Man konnte nur versuchen zu denken, dass dieser Augenblick das Leben im vollen Sinn war. Ein immer neues Eintauchen in die Weite des Seins, indem man einfach von der Freude überwältigt wurde.
    Eine schöne Mischung aus Hoffnung und Fantasie. Die Ankündigung eines gewaltigen Rausches. Sie kicherte. Und diese Fantasie sollte uns davon überzeugen, uns mit dem Leid im Diesseits abzufinden? Sie versuchte lieber, ein gutes Leben im Diesseits zu leben – gut für sie und gut für andere.
    Denn „In nihil ab nihilo quam cito recidimus“. Wie schnell fallen wir vom Nichts ins Nichts zurück. Schwankend stieg sie von ihrem Barhocker. Sie hatte genug.
    D’Albret schloss die Bibel und ließ sich in den Stuhl zurückfallen. Mit zwiespältigen Gefühlen hatte er MacLoughlin hinterhergesehen. Vielleicht wäre es tröstlich gewesen, weiter mit ihr zu sprechen. Es hieß, man könnte sich Dinge von der Seele reden. Bislang war immer er der Zuhörer für andere gewesen, und er selbst hatte zu Gott gesprochen – und zu Bertrand Merdrignac. Wobei er mit Gott nicht mehr wirklich Zwiesprache gehalten hatte, seit er vor seinen eigenen Gefühlen aus Génicourt geflüchtet war. Jetzt hatte sich MacLoughlin angeboten. Eine Atheistin als Seelsorgerin für einen Priester? Er stieß ein leises Lachen aus.
    Er müsste sich selbst trösten können. Er kannte so viele tröstliche Worte in der Heiligen Schrift, und er hatte damit anderen Trost gespendet. Yvonne zum Beispiel hatte mit seiner Hilfe … Er schob den Gedanken an sie schnell wieder beiseite.
    Er faltete die Hände über der Bibel und schloss die Augen. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Wieso fühlte er sich so unsicher und hilflos? Er wusste doch, was richtig und was falsch war. Dass Gott gerecht war.
    Aber warum hatte Bertrand dann sterben müssen? Oder überhaupt an Krebs erkranken? Verdammt!
    Die Bibel rutschte von seinem Schoß und fiel auf den Boden. Er beugte sich vor – und ließ sie dann doch liegen.
    Es war doch nicht gerecht! Und Gerechtigkeit zu fordern, war doch gut.
    Doch zu glauben, mit Gott rechten zu können, war vermessen.
    Andererseits hatte Abraham, im Gegensatz zu Hiob, mit Erfolg an Gottes Gerechtigkeitssinn appelliert, als es um die Zerstörung von Sodom und Gomorrha ging: „Vielleicht gibt es 50 Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen? Sollte sich der Richter über die ganze Erde nicht an das Recht halten?“
    Aber kannte er, dieser Mensch, Gottes Verständnis von Gerechtigkeit? Immerhin ließ sich Gott von ihm sogar auf zehn Gerechte herunterhandeln.
    D’Albret schlug die Hände vors Gesicht. Wollte er sich etwa mit Abraham gleichsetzen? Nein, ihm stand wohl eher die Bescheidenheit Hiobs zu.
    Aber was war mit diesen üblen Stellen im Alten Testament, voller Ungerechtigkeit und überzogener Strafen?
    D’Albret hob die Bibel wieder auf und blätterte zu der Passage, an der vom Propheten Elischa auf dem Weg zur Stadt Bet-El berichtet wurde. Einige Burschen hatten Elischa vor der Stadt wegen seiner Glatze verspottet, und Elischa hatte sie im Namen des Herrn verflucht. Da waren zwei Bären aus dem Wald gekommen und hatten 42 junge Leute zerrissen. Die Todesstrafe für jugendlichen Spott, war das gerecht oder einfach nur grauenhaft?
    Alle diese Stellen in der Bibel, die der Heilsbotschaft Jesu zu widersprechen schienen, waren doch nur ein Hinweis darauf, dass die Offenbarungen Gottes der menschlichen Vernunft Gelegenheit gaben, sich zu bewähren. Solche Geschichten spiegelten eben Prgelten die menschliche Fehlbarkeit wider, nicht die Fehlbarkeit Gottes.
    Die Bibel stellte in ihrer Gesamtheit ja auch kein ewig gültiges Wort Gottes dar. Man brauchte nicht die Erkenntnisse der Physiker und Biologen, um zu begreifen, dass man die Texte, etwa über die Schöpfung, nicht wörtlich nehmen konnte. Natürlich war die Bibel in einem

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