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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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van der Merwe wirkte relativ entspannt.
    Regen prasselte aus den tief hängenden Wolken auf die Palmblätter über ihren Köpfen, während die Peruaner Kaffee herumreichten. Dazu gab es getrocknete Bananenscheiben und Brot.
    Nach dem Frühstück brachen sie auf. Der Rückweg kam d’Albret kürzer vor als der Hinweg. Vielleicht weil es bergab ging und weil er sich inzwischen daran gewöhnt hatte, Bäche auf rutschigen Stämmen zu überqueren oder einfach hindurchzuwaten. In Puerto Libre, wo Dionisios Mutter lebte, legten sie eine Pause ein. Die Frau bereitete ihnen Tortillas zu.
    Als sie schließlich die Kanus erreicht hatten, schlugen die vier Jungs vor, Tilly zuliebe stromabwärts zu rudern, anstatt den Fußweg zu nehmen. Sie würden die Kanus später zu Fuß zurücktragen müssen. Aber Fußmärsche, das hatte d’Albret inzwischen begriffen, machten ihnen nichts aus. Sie setzten sich in die Kanus und überließen sich der Strömung des Río Cachiyacu. Hin und wieder mussten die Jungs aussteigen und die Kanus über seichte Stellen schieben.
    In Balsapuerto trafen sie auf eine Gruppe von Touristen, die gerade mit einem großen Boot anlegten. Es waren Amerikaner, darunter einige Senioren. Sie gingen ihnen aus dem Weg. York bezahlte Dionisio und die anderen Jungs. Dann suchten sie nach dem Alcalde und ihrem Piloten Cori.
    Sie fanden den Bürgermeister im Rathaus, einem Gebäude aus Stein, vor dem die peruanische Flagge schlaff an ihrem Mast hing. Der Alcalde begrüßte sie in seinem Büro, einem einfachen Raum mit Schreibtisch und einigen Stühlen.
    „Haben Ihnen die Petroglifos gefallen?“, begrüßte er sie. „Sehr schön und sehr interessant, nicht wahr?“
    York stimmte ihm zu, ließ sich aber nicht weiter darauf ein.
    „Balsapuerto ist doch Distrikthauptstadt, und Sie sind hier der Alcalde. Dann kennen Sie sicher die Verhältnisse in den anderen Shawi-Gemeinden in der Region?“
    Der Alcalde hob die Schultern. „Claro.“
    Er hörte die Stimmen der amerikanischen Touristen, die gerade angekommen waren, und stand auf. „Ich mussdiese Leute begrüßen“, erklärte er entschuldigend.
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    „Wie kommen wir mit dem Flugzeug möglichst dicht an diesen Zufluss des Río Sillay heran?“ Er zeigte auf die Karte. „Welches Dorf in der Nähe hat eine Piste?“
    „Das Gebiet dort gehört nicht mehr zu meinem Distrikt“, erklärte der Alcalde. „Sie sollten in San Ramón del Sinar landen.“ Er runzelte die Stirn und beugte sich über die Karte. „Ihr wollt zum Río Nahuati? Im Norden des Río Shihuarai? Da gibt es nichts außer einigen kleinen Siedlungen. Keine Petroglifos. Nur arme Leute.“
    York lächelte Tilly zufrieden an. Die Deutsche lächelte zurück. Jetzt wussten sie, wie der kleine Fluss hieß, zu dem sie wollten.
    Allerdings hatte der Klang, mit dem der Bürgermeister die zwei letzten Worte betont hatte, ihn irritiert. Reich waren die Einwohner von Balsapuerto schließlich auch nicht. Aber der Bürgermeister hatte weniger bedauernd als eher sorgenvoll gesprochen.
    „Wieso bezeichnen Sie die Menschen dort als arme Leute?“, fragte York.
    Der Alcalde strich sich nachdenklich mit der Hand über den Mund. „Schon lange gibt es Siedlungen meiner Leute am Río Sillay. Aber vom Wald im Osten des Flusses, dem Gebiet am Río Shihuarai und dem Río Nahuati, haben wir uns immer ferngehalten.“
    York sah ihn neugierig an. „Warum das?“
    „Von unseren Vorfahren haben wir gelernt, dass es dort gefährlich ist“, erklärte der Shawi leise. „Ein schlimmer Ort.“
    „Aber war der Wald nicht überall voller Gefahren?“, fragte Tilly.
    „Der Jaguar, der Kaiman, die Schlangen, böse Geister. Und die anderen Stämme, mit denen die Shawi kämpften. Natürlich war der Wald früher sehr gefährlich. Er ist es heute noch.“ Er schwieg eine Weile.
    „Wir haben als Kinder Geschichten vom co quënanësohuë’ Matararo gehört, der dort lebt und den die Jesuiten El Raptor nannten. Und wir erzählen sie unseren Kindern“, sagte er dann.
    York richtete sich auf. Tilly und van der Merwe tauschten einen erstaunten Blick.
    „Was sind das für Geschichten von diesem … wie heißt er?“ York legte dem Alcalde die Hand auf den Arm.
    „Co quënanësohuë’ Matararo. Der unsichtbare Mörder.“ Der Alcalde winkte ab. „Das sind nur Märchen.“
    Sehr überzeugt klang der Bürgermeister von seinen eigenen Worten nicht, dachte York. Ein unsichtbarer Mörder – war das eine Version der Geschichte von dem Land

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