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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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über mit roten Punkten tätowiert war, rührte mit einem großen Holzlöffel in der dicken Brühe. Undefinierbare Brocken tauchten auf und verschwanden wieder. Dann brachte eine weitere Frau zwei tiefe Holzteller, deren Durchmesser Tilly auf einen halben Meter schätzte. Die Shawi schaufelten Fleisch und Soße auf die Teller und brachten einen davon zu den Männern hinüber.
    „Wenn du lieber etwas essen willst, das deinen Essgewohnheiten entspricht“, sagte Pam zu der Deutschen, „dann iss davon.“ Sie zeigte auf einen anderen, mit Fleischstücken bedeckten Teller. „Das ist Schweinefleisch.“
    Erleichtert langte Tilly nach einem der Brocken.
    Am Männertisch betrachtete York das Mahl aus Buschfleisch mit skeptischen Augen. Er saß zwischen Cori und Dan, dessen ausgelassene Heiterkeit er zu ignorieren versuchte, und hoffte auf eine Gelegenheit, mit Amaringo zu sprechen. D’Albret briet mit Jesús über einem kleinen Feuer die Fische, die sie gefangen hatten.
    Schließlich setzte sich der Apu neben York. Sie sprachen eine Weile über die Rechte der Indigenen auf das Land am Amazonas, während sich alle große Fleischbrocken von dem Teller in der Mitte des Tisches nahmen und aßen.
    York bewunderte den bunten Kopfschmuck des Alten. Es war eine Art überdimensionales, fransig-flauschiges, rot-gelb-schwarzes Stirnband – das einzige traditionelle Kleidungsstück, das Amaringo anhatte.
    „Apu“, wandte York sich an Amaringo. „Wir haben dir gesagt, dass wir uns für die Mythen der Shawi interessieren. Eine eurer Legenden betrifft die Region im Norden des Río Shihuarai. Dort, wo der Río Nahuati fließt.“
    Amaringos Gesicht verdüsterte sich. „Du meinst die Geschichte vom co quënanësohuë’ Matararo. Dem unsichtbaren Mörder.“
    Er warf den Knochen, den York gerade abgenagt hatte, hinter sich. Einige Hunde begannen, darum zu raufen. York wartete. Der Apu schwieg.
    York langte nach einem Stück Fleisch und schaute verwundert auf ein schuppiges Bein mit kleinen Klauen. Er überwand sich und begann, an den wenigen Stellen, wo sich Fleisch befand, zu knabbern.
    Schließlich beugte sich der Amerikaner vor. „Diese Legende meine ich tatsächlich“, bestätigte er. „Aber ich habe nur den Namen gehört. Kannst du mir mehr davon erzählen?“
    „York“, sagte Amaringo und legte dem Amerikaner die Hand auf den Arm. „Wir sind nicht dumm oder zurückgeblieben. Wir leben weit weg von den Städten, wir haben nur kleine Schulen. Aber seit 500 Jahren versuchen die Weißen, uns beizubringen, was sie für wichtig halten. Manche von uns können schreiben und lesen, und das ist gut. Die Medizin ist gut. Die Hygiene ist gut. Dass die bösen Geister des Waldes verschwunden sind, ist gut. Dass die Schamanen niemanden mehr verfluchen können, ist gut. Wir haben einen neuen Glauben. Gott ist groß, und er liebt die Menschen, und Jesus hat uns von unseren Sünden erlöst. Wussten Sie, dass es das Neue Testament in unserer Sprache gibt? Yosë chachin sha’ huitërinpoa. Ca’ton ya’huërahuë.“
    Amaringo warf einen Blick zu Dan hinüber und breitete die Arme aus. „Wir sind glücklich darüber, dass wir unsere sterbenden Kinder jetzt, da sie getauft werden, nach dem Tode wiedersehen werden. Und es sterben noch immer so viele unserer Kinder, dass unsere Mütter ihnen erst Namen geben, wenn sie zwei Jahre überlebt haben. Aber je mehr wir den alten Glauben vergessen, umso mehr vergessen wir auch, was uns der Wald früher gelehrt hat. Und das ist schade.“
    York lehnte sich zurück und erschlug einen Moskito, der eine nicht eingesprühte Stelle an seinem Hals gefunden hatte. Ihn interessierten die Probleme der Shawi mit der Zivilisation nicht besonders.
    Amaringo spürte seine Ungeduld. „Wir haben viele Erzählungen über die Entstehung von No’pa, I’sha, Pën, Pi’l und Yoqui – die Erde, das Wasser, das Feuer, die Sonne und den Mond. Geschichten über unsere Helden wie Cnn Helden onpanama, der die Menschen erschaffen hat, oder über den Dämon Nonon in den Bergen. Das sind alte Geschichten. Einfach nur Geschichten, wie wir heute wissen.“
    Amaringo wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und schaute hinauf zum Himmel. Der Mond war aufgegangen und stand hell zwischen den Wolken.
    „Doch manche Geschichten scheinen zu leben“, fuhr der Apu schließlich fort. „Und dazu gehört die vom Matararo.“
    York wartete, aber erneut hüllte sich der alte Shawi in Schweigen. Rücksicht war allerdings keine

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