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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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etwa bei lebendigem Leibe den Kopf abgeschlagen?
    Von einer Welle des Zornes übermannt, sprang Pérez auf und trat erneut gegen die Gitterstäbe. Wo war die Tür? Es musste eine geben, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht zu erkennen war. Wenn er den Mechanismus verstanden hatte, dann …
    Er zog und zerrte an jeder einzelnen Stange, versuchte, sie aus dem Loch im Boden zu ziehen, in das sie von oben gesunken war. Und tatsächlich bemerkte er, dass einer der Gitterstäbe sich einige Millimeter anheben ließ. Demnach öffnete sich ihre Zelle, indem einige Stangen nach oben in die Wand hineingezogen wurden.
    Er rief Tanriverdi zu Hilfe. Gemeinsam versuchten sie mit aller Kraft, die Stange in die Höhe zu wuchten. Aber mehr als die zwei Millimeter waren nicht drin. Frustriert warf sich Pérez wieder auf den Boden und klopfte seine Taschen ab. Irgendwo musste sein Schweizer Taschenmesser sein. Er zog es zusammen mit einen Energieriegel aus der kleinen Tasche an seinem Gürtel und bot Tanriverdi die Hälfte des Riegels an.
    Dann klappte er das Messer auf und begann dort, wo die Stange im Boden versank, die Lücken zwischen den Steinen auszukratzen.
    Tanriverdi holte einen Kugelschreiber aus einer Brusttasche und tat es ihm gleich. Die Steine waren schräg übereinander gelegt, sodass jeder einzelne durch das Gewicht seines Nachbarn belastet wurde. Es dauerte lange, bis der erste Stein sich auch nur einen Millimeter bewegte. Und sie schafften es einfach nicht, ihn so weit zu lockern, dass sie ihn herausziehen konnten. Kurz vor 12 Uhr unterbrach Tanriverdi die Arbeit, um sein mittägliches Gebet zu verrichten.
    Pérez schaute dem Türken missmutig bei seinem Ritual zu.
    „Ich wollte wirklich, ich könnte auch an dieses Paradies glauben“, sagte er, nachdem Tanriverdi fertig war. Er erhob sich. „Aber wenn ich darüber nachdenke und dann das hier sehe …“ Er machte eine Geste in Richtung Statue. „Welche Rolle spielt Gott in diesem Spiel hier?“
    Tanriverdzukv >Tanri schaute zu ihm auf. „Gerade als Wissenschaftler müssten Sie all die Wunder erkennen und sehen, dass das Universum in seiner komplizierten, aber perfekten Form nur existieren kann, weil es erschaffen wurde. Alles andere ist völlig unwahrscheinlich.“
    „Wunder?“, entfuhr es Pérez. „Ich soll in diesem perfekten Universum geopfert werden. Ist es das, was Gott in seiner unermesslichen Güte für mich geplant hat?“
    Er ballte die Fäuste. „So ein verdammter Schwachsinn.“
    Unbeeindruckt sprach Tanriverdi weiter. „Es ist ebenfalls unglaublich unwahrscheinlich, dass in diesem Universum nur zufällig exakt die Bedingungen herrschen, die das Leben ermöglichen.“
    Pérez rang fassungslos die Hände. „Sie meinen, Allah hätte die ganze Welt nur erschaffen, damit wir hier einen Platz zum Leben finden? Wieso holt er uns dann nicht gleich in sein Paradies, anstatt uns hier dieser Scheiße auszuliefern?“, fragte er.
    „Sie müssen sich das Paradies erst verdienen“, stellte Tanriverdi fest.
    „Wie können Sie nur so ruhig bleiben, wenn Allah Sie offenbar dazu verdammt hat, den Kopf zu verlieren?“ Pérez stieß die Luft aus. „Mann, allein in unserer Galaxis existieren mehrere Milliarden Planeten. Das Universum selbst umfasst 100 Milliarden Galaxien. Die Zahl der Planeten in unserem Kosmos können Sie sich dann selbst ausrechnen. Selbst wenn die Chance, dass auf einem Planeten Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen, nur eins zu einer Milliarde wäre, dann dürfte es in jeder Galaxis mehrere geben. Und wenn die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Leben entsteht, wieder eins zu einer Milliarde wäre, dann gäbe es etliche Galaxien, in denen das geschehen ist oder noch passiert.“
    Er sprang auf und rannte vor dem Gitter hin und her.
    „Und zufällig“, schrie er in die Halle hinein, „ist Francesco Pérez entstanden, und zufällig bin das ich. Und zufällig will ich noch nicht sterben!“ Er schüttelte die Faust in Richtung der Statue. Der steinerne Götze schwieg ihn an.
    „Zahlen, Zahlen, Zahlen.“ Tanriverdi schaute auf und verzog das Gesicht. „Aber wieso sind die Bedingungen überhaupt so, dass Leben möglich ist?“
    „Ja“, rief Pérez, „kurz vor unserem Tod klären wir nochmal schnell die Frage, wieso wir eigentlich leben.“
    Er lachte und schüttelte den Kopf. Dann ließ er sich wieder neben Tanriverdi nieder und stieß sein Messer in die Fugen. „Vielleicht lenkt mich das ab von dem, was hier passiert.

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