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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Besucher sich wünschen konnten. Es fanden Volksfeste statt, Performance-Künstler oder Theaterleute traten auf, Demonstranten vermischten sich mit Konzertbesuchern.
    Jetzt war es allerdings eher ruhig. Zu ruhig für jemanden, der sich Ablenkung gewünscht hatte.
    Eine Gruppe von jungen Leuten ging laut schnd ing lauerzend vorüber. Einer der Männer baute sich vor ihm auf.
    „Pater“, rief er auf Spanisch, „ich werde heute sündigen. Bitte erteilen Sie mir im Voraus die Absolution, ich werde auch vorher noch zehn Rosenkränze beten.“ Lachend lief er weiter.
    D’Albret griff sich an den Hals, entfernte das Kollar, das den Priester verriet, und warf es vor sich auf den kleinen Tisch. Er öffnete zwei Knöpfe an seinem steifen schwarzen Hemd. Nachdenklich rieb er sich den Kehlkopf. Es war Jahre her, dass er sich den Abend mit Freunden und Freundinnen um die Ohren geschlagen hatte. Eine gefühlte Ewigkeit.
    Vielleicht sollte er sich gleich an die Aufgabe machen, die er so überstürzt übernommen hatte. Und dort weitermachen, wo sein Vorgänger aufgehört hatte, weil ihn Gott so überraschend zu sich gerufen hatte. Aber d’Albret fühlte sich wie gelähmt. Eine Lähmung, die nur hin und wieder von ihm wich, wenn es ihm gelang, sich von der Gegenwart und der Vergangenheit zu lösen und an die Zukunft zu denken. Eine Zukunft, in der bestimmte Dinge keine Rolle mehr spielen durften. Eine Zukunft ohne Liebe. Nein, nicht ohne Liebe, dachte er. Ein Priester ohne Liebe wäre kein Priester. Aber ohne diese Liebe. Ohne die Liebe zu …
    Fast hätte er ihren Namen gerufen. Er sprang auf, völlig verwirrt. Das konnte nicht sein. Sie war auch in Sevilla? War sie ihm gefolgt? Woher sollte sie wissen … Nein, sie konnte gar nicht wissen, dass er hier war.
    Die junge Frau passierte die hohen Säulen in der Mitte des Platzes, ohne den Löwen darauf einen Blick zu gönnen. D’Albret zog seinen Geldbeutel aus der Tasche und rief nach der Bedienung. Er drückte dem Mann viel zu viel Geld in die Hand, klaubte das Kollar vom Tisch und lief los.
    Sie hatte ihr leichtes, rotes Sommerkleid an, das ihr nur bis zu den Knien reichte. Die langen, blonden Haare fielen tief über ihre Schultern.
    Der Fahrer eines kleinen Peugeot hupte ihn an, als er über die Straße rennen wollte. Er sprang im letzten Augenblick zurück und ließ den Wagen vorbei. Sie verschwand hinter einer Häuserecke. Als er das Gebäude erreicht hatte, sah er keine Spur von ihr. Natürlich. Er hatte sich das nur eingebildet. Sie konnte nicht hier sein. Er war verrückt. Dann entdeckte er das rote Kleid wieder.
    Sie warf die langen Haare zurück wie immer, wenn sie ihr in die Augen fielen. Er rannte an den kleinen Bars und Läden vorbei, die die schmale Straße säumten, und prallte gegen einen älteren Mann, der aus einem Auto im Halteverbot stieg. Dann stand er atemlos vor der schlichten gotischen Fassade der Iglesia de Omnium Sanctorum. Er schaute sich verzweifelt um. Eine Gruppe junger Leute zwängte sich mit ihren Motorrollern durch die Schlange der kleinen Lieferwagen. Er folgte ihnen zum Mercado in der Feria, einem großen Gebäude mit Obst-, Gemüse, Fleisch- und Fischständen. Da, in dem Gedränge hinter dem hohen Torbogen blitzte ihr rotes Kleid zwischen den gekachelten Wänden der Verkaufsstände erneut auf. Sie hatte jetzt eine grüne Plastiktüte in der Hand und wechselte in das zweite Gebäude des Mercado hinüber. Er zwängte sich durch die Menge der Käufer. Als sie wieder in sein Blickfeld geriet, hatte sie den zweiten Torbogen erreicht, der zurück auf die Straße führte. Fast stürzte er über einen Stapel von Kisten und Kartons neben dem Tor.
    Sie öffnete eine schmale Tür zwischen einer Bar und einem winzigen Bekleidungsgeschäft. Er wollte rufen, brachte aber keinen Ton heraus. Im letzten Augenblick erreichte er die Tür und klemmte sich die Finger ein, als er verhinderte, dass sie ins Schloss fiel.
    Der Flur war schmal, die Treppe steil. Er hastete hinauf.
    Dort stand sie und öffnete eine Wohnungstür. Alles in ihm schrie danach, sie wieder in den Arm zu nehmen. Sie festzuhalten und nicht mehr loszulassen. Alles zu vergessen, was sonst Geltung hatte, endlich die Dinge zu tun, die ihnen verboten waren. Die Dinge, vor denen er geflohen war, der Grund, wr Fder Gruarum er sie verlassen hatte. Er hatte sie verlassen, nur um sie hier wiederzufinden? Das konnte doch kein Zufall sein. Eher ein Wunder. Eine Fügung Gottes. Schicksal …
    Wie konnte es

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