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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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warme Wasser zurücksinken. Vielleicht sollte sie die nächste Stunde einfach in dieser Wanne bleiben und genießen. Vielleicht sollte sie den Rest ihres Lebens genießen. Wer war sie schon zu glauben, sie könnte etwas bewegen.
    Sie richtete sich abrupt auf. Nein, es war ihr einfach nicht möglich, die Gelegenheit verstreichen zu lassen, zu sagen, was sie dachte. Sollten andere ihr doch vorwerfen, sie nähme sich zu wichtig und würde ihre Bedeutung und ihre Möglichkeiten überschätzen. Sie war kein Don Quichotte – zumindest keiner, der gegen Windmühlen kämpfte. Die Riesen, die sie anging, waren real und gefährlich. Und wenn andere ihr Leben aufgaben für einen Glauben, dann konnte sie wohl Unbequemlichkeiten und Frust auf sich nehmen, um für ihre Sache zu streiten.
    Sie zog sich an, wie es ein solches gesellschaftliches Ereignis erforderte – elegant genug, um ernst eing, um egenommen zu werden, und leger genug, um sich wohlzufühlen. Sie entschied sich für eine schlichte weiße, hochgeschlossene Bluse und einen engen, knielangen roten Rock und dazu passende Sandaletten. Das Hotel war natürlich klimatisiert, und es bestand trotz der nicht gerade tropischen Temperaturen in Perus Hauptstadt keine Gefahr zu frieren.
    Kardinal Merdrignac stellte ihr die drei Männer vor, die mit ihm an zwei zusammengeschobenen Tischen im Fischrestaurant des Hotels saßen. Die schwarz gekleideten Herren erhoben sich von den gelben, altmodischen Polsterstühlen, um sie zu begrüßen.
    Monsignore Lassandri hatte MacLoughlin bereits am Flughafen getroffen. Neben ihm saß ein älterer Priester vom Apostolischen Vikariat Jaén. Monseñor Ampuero war ein zurückhaltender, schwarzhaariger Mann um die 60, klein und hager, der sich mit den Fingern immer wieder durch den sauber gestutzten Schnurr- und Kinnbart fuhr. Er war der Advocatus Diaboli im Prozess der Seligsprechung von Bartolomé de Las Casas.
    Auch Père Arnaud d’Albret kannte sie schon vom Flughafen. Der junge Mann machte den Platz zur Rechten des Kardinals für sie frei, sodass sie durch die große Glasfront hinaus auf die zum Restaurant gehörende Terrasse schauen konnte. Ein Grünstreifen mit Büschen und Palmen versperrte den Blick hinaus in die Grünanlagen jenseits der Promenade Malécon de la Reserva.
    Das Restaurant mit seinen roten Wänden, Kronleuchtern, Spiegeln, Säulen und der schlichten, stuckverzierten hohen Decke hatte etwas von den fürstlichen Gemächern, die in Europa häufig zu Museen umfunktioniert wurden, weil die ursprünglichen Besitzer sich den Unterhalt nicht mehr leisten konnten.
    Die Geistlichen hatten bereits gefüllte Weingläser vor sich. MacLoughlin bediente sich aus der Flasche, die auf dem Tisch stand. Sie würde eine Menge trinken müssen, um die steife Atmosphäre, die der Raum und diese dunkel gekleideten Männer ausstrahlten, ertragen zu können.
    Merdrignac winkte dem Kellner. Der Mann nahm die Bestellung des Hauptgerichts entgegen. MacLoughlin wählte Dorsch mit Calamari, Shrimps, Gemüse, Tartar- und Chilisauce.
    Die Irin lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Über den Rand ihres Glases hinweg betrachtete sie ihre Gegenüber. Sie kannte solche Runden nur zu gut. Der Sekretär des Kardinals, Monsignore Lassandri, wirkte wie einer dieser Beamten, die sich darauf beschränkten, im Fahrwasser höhergestellter Persönlichkeiten Karriere zu machen, ohne die Risiken einzugehen, die eine eigene Meinung oder gar Eigeninitiative mit sich brachten. Gewiss, auf der richtigen Seite zu stehen, und damit völlig zufrieden, gab es wenig, über das sie sich aufregten, außer in dem Fall, dass ihre Vorgesetzten es ebenfalls taten. Eine typische Vatikanpersönlichkeit eben. Monseñor Ampuero war als Advokat des Teufels sicher ein Experte für Kirchenrecht – eine Art Jurist, der vermutlich wenig Lust verspürte, sich auf grundsätzliche theologische Diskussionen einzulassen. Ein spröder, wissenschaftlicher Theoretiker, dem schon der sprichwörtliche Elfenbeinturm ein Rummelplatz sein würde. Manchmal entpuppten sich diese Trockenschwimmer als jesuitisch gewitzte Bauernfänger. Doch das hätte sie bei Ampuero sehr überrascht.
    D’Albret war zu jung, um ihn gleich in eine Schublade zu stecken. Auch war ihr nicht klar, in welcher Funktion der Priester hier war – auch wenn er offensichtlich in einer besonderen Beziehung zum Kardinal stand.
    Der Kardinal … MacLoughlin kniff die Augen zusammen. Merdrignac erwiderte ihren Blick, als

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