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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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wüsste er genau, was in ihr vorging. Er lächelte und hob ebenfalls sein Glas. Auch für ihn hatte MacLoughlin eine Schublade: äußerlich freundlich, einnehmend, jovial, verständnisvoll, tolerant. Gebildet und hochintelligent. Und vielleicht auch wirklich ein Mensch, der aufrichtig das Gute wollte.
    Das Problem mit diesen Persönlichkeiten war, dass sie sich ihrer Intelligenz bewusst waren Fuewusst , aber die Bescheidenheit des Sokrates zu wissen, nichts zu wissen, eingetauscht hatten gegen die Bescheidenheit, nicht im eigenen Namen, sondern im Namen Gottes zu handeln. Und so wussten sie, die ehrlich gut sein wollten, einfach zu genau, was das Gute war.
    MacLoughlin war sich sicher, wie das Gespräch in etwa ablaufen würde. Diese Männer würden sich ihr zuliebe vielleicht eine Weile an Smalltalk versuchen, aber ohne Interesse. Sie würden über Kirchenpolitik oder Gott und die Welt im engsten Sinne reden wollen. Und sie würden ihr, der Atheistin, dem verlorenen Schaf, gegenüber großherzig und tolerant auftreten Und das wäre ihr unerträglich. Es gab nur eine Möglichkeit, diese Herausforderung, der sie sich ja bewusst auslieferte, zu bestehen. Die direkte Auseinandersetzung.
    „Ich würde Sie gern etwas fragen“, begann sie. „Was ich über Seligsprechungen gehört habe, klingt zwar nach strenger Prüfung. Aber die meisten Beteiligten halten das Einwirken Gottes ja grundsätzlich für möglich.“
    „Die Mediziner nicht unbedingt“, warf d’Albret ein.
    Interessant, dachte MacLoughlin. Dieser junge Mann spekulierte offenbar nicht auf eine Karriere im Vatikan. Sonst hätte er den älteren Herren den Vortritt gelassen. Sie drehte sich zu ihm. „Die müssen eigentlich nur erklären, dass sie nicht wissen, was passiert ist“, sagte sie. „Aber es gibt Spontanheilungen. Was wird die Kirche tun, wenn wir irgendwann wissen, was die spontan erscheinende Heilung von Krankheiten auslöst? Müssen dann alle Heiligen ihren Heiligenschein wieder abgeben, die durch ein entsprechendes Heilswunder in den erlesenen Kreis gelangt sind?“
    Merdrignac schmunzelte. „Gute Frage.“
    „Mal grundsätzlich“, sagte die Journalistin ernst. „Wunder sind doch eigentlich nur Ereignisse, deren Ursachen wir nicht kennen. Noch nicht.“
    „Als ich Priester wurde, haben wir noch einen Eid abgelegt“, antwortete der Kardinal versonnen. „Ich anerkenne die äußeren Beweismittel der Offenbarung, das heißt die Werke Gottes, in erster Linie die Wunder und Prophezeiungen, als ganz sichere Zeichen des göttlichen Ursprungs der christlichen Religion. Daran halte ich fest. Es mögen Aenigmata sein, Rätsel, Geheimnisse, Zeichen – aber sie sind real.“
    Die Journalistin beugte sich vor. „Aber wenn wir wirklich nach Erkenntnis streben, sollen wir uns dann wirklich auf Gerüchte von einer höchsten Instanz mit absolutem Machtanspruch verlassen?“
    D’Albret rückte seinen Stuhl ein Stück vor. „Sie sprechen von Gerüchten. Meinen Sie, wir hätten den Sinn für die Realität verloren? Menschen haben schon immer an Dinge geglaubt, die sich nicht beweisen lassen, ohne dass sie wahnsinnig wären.“ Er deutete mit dem Finger auf sie. „Sie setzen vermutlich auf die Naturwissenschaftler. Aber die schließen für ihre Untersuchungen Einflüsse durch Gott oder das Heilige doch von vornherein aus. Was sollen sie dann darüber sagen können? Gerade weil Gott ein übernatürliches Wesen ist, liegt er außerhalb der Reichweite der Naturwissenschaften.“
    „Und die großen Fragen“, rief Merdrignac. „Der Sinn des Lebens. Woher kommen wir, wohin gehen wir? Warum existiert überhaupt etwas …? Naturwissenschaftler müssen akzeptieren, dass sie sich mit Fragen zur Physik, Chemie und Biologie beschäftigen können, aber dass es auch transzendente Fragen gibt, die man der Theologie und Philosophie überlassen muss.“
    MacLoughlin lächelte ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Sie meinen, es gibt da zwei Untersuchungsbereiche, die sich nicht überschneiden?“
    „Ein berühmter Evolutionsbiologe hat gesagt: Die Naturwissenschaftler untersuchen die Bewegungen des Himmels.“ Merdrignac wandte sich zum Fenster. Durch eine Lücke zwischen den Sträuchern konnte man das Meer sehen. In der Ferne verlor sich das graue Blau in nebligem Dunst. „Aber die Religion bestimmt, wie man in den Himmel kommt.“
    MacLougs ediv >Mahlin folgte seinem Blick. Ein großer, heller Vogel mit scharfen, abgewinkelten Flügeln zerschnitt die Luft vor dem

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