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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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zusammen bin. Alles in allem ein ganz seltsames Gefühl. Außerdem ist mir, als hättest du mich gerettet. Ein komischer Mensch bist du!« sagte Sui. »Laß uns noch ein bißchen Zusammensein. Ist schließlich Sommer.« Sprachs und legte sich einfach hin, neben mich. Schwerer, süßer Duft von Frauenhaar. Jasmin und Sandelholz. Pure Sommernacht stieg mir in die Nase.
    »Was wohl aus dir werden wird? Nächstes Jahr um diese Zeit, wo wirst du sein, was wirst du tun?« sagte ich.
    »Hmh«, machte Sui. Die Verbindung zwischen unseren Herzen wurde langsam ernst, und das machte mir angst. Ich fürchtete ihre Zuneigung wie die eines Hündchens, das mir hinterherläuft. Ich spürte ihre körperliche Ausstrahlung, die völlig bar der Sorge war, vielleicht nicht gemocht zu werden. Ich bin nicht lesbisch, Schülerin bin ich auch nicht mehr, ich bin einfach eine Frau. Das Zusammensein mit diesen Menschen, denen ein Geruch von Vergangenheit, von einer Zeit dichtesten Lebens anhaftete, gab mir das Gefühl, mich in einem Blumengarten knapp neben der Jetztzeit zu bewegen. Ich spürte das ganz deutlich. Eine schöne Zeit! Wirklich wunderbar. Aber sie war begrenzt. Es konnte nicht für immer so weitergehen. Was mache ich hier bloß, fragte ich mich mit dem Gefühl, plötzlich aufgewacht zu sein.
    Ein heftiger Windstoß. Mir wurde ein wenig kalt.
    »Übrigens, es gibt wirklich so was wie böse Flüche, die auf bestimmten Menschen liegen. Wußtest du das?« sagte Sui.
    »Hör auf! Nicht im Dunkeln über so was reden, bitte!« sagte ich. Weißlicher Betonboden, einsame Wäscheleinen. Todesraum. Nur die kleinen Lichter der Nachtlandschaft schienen zu atmen. War jemand da, hörte jemand zu? Immer und immer?
    »Hast du das nicht gespürt, als Shōji gestorben ist?« fragte sie mich. »Daß noch irgend etwas im Zimmer war?«
    »Nicht daß ich wüßte«, sagte ich. Aber das war gelogen. Genau hatte ich es gespürt, an jenem Morgen in diesem Haus.
    »Ich hab dieses Gefühl schon, seit ich mit Vater zusammen war. Mit Shōji, und dann auch, als ich Otohiko kennenlernte, immer. Eine Ohnmacht, als wäre ich die Marionette von irgend etwas. Und immer bin ich schwächer als dieses Etwas«, sagte Sui mit weit aufgerissenen Augen. »Ich hab sonst vor nichts Angst, nur davor. Ständig fühle ich es. Es war auch da, bevor Vater starb. Wie ein Omen. Die böse Kraft des Schicksals, die dieses Buch verströmt. Vater ist daran gestorben. Und daß ich lebe, liegt womöglich auch nur daran – schrecklich, wenn ich mir das vorstelle. Alles, daß wir uns getroffen haben, daß wir jetzt hier sind.«
    »Daran – was meinst du damit genau? Die Macht dieses Buches? Die Begabung deines Vaters?«
    Ich sah zum Sternenhimmel auf. Ich sah die Gesichter der Leute vorüberziehen, die ich bisher kennengelernt hatte. Hoch auf dieser Ruine von Gebäude saß ich wie auf den verfallenen Überresten eines fremden Reiches. Ich war es, die so fühlte. ICH …?
    An dieser Stelle bleibe ich immer hängen.
    »Nein, nein. Vater – Vater war bloß eine leere Hülse. Nur ein Tramp, ein Japaner, der sein Land verlassen hat. Dieses Etwas aber ist rechtzeitig abgesprungen und deshalb geblieben, selbst als Vater starb.«
    »Soll das jetzt eine Story unter dem Motto ›Kunst und Seele‹ sein? Oder aber …«, begann ich, doch Sui fiel mir ins Wort.
    »… eher oder: Du weißt es doch. Nenn es böser Geist, Fluch oder Verhängnis – wie du willst. Das, was mich und Otohiko auf der Stelle treten läßt, ohne daß wir etwas dagegen tun können – als wäre unser Blut verseucht oder so was.«
    »Mag sein«, sagte ich, »aber du kannst es besiegen.«
    »Ja, vielleicht«, sagte Sui. »Die soll sich da gefälligst bald raushalten!«
    »Wer?« fragte ich.
    »Saki. Die Kopie hab ich ihr jedenfalls geschickt.«
    »Was? Jetzt auf einmal?« fragte ich völlig baff. Kurz zuvor war ich aufgestanden, zum Dachgeländer gegangen und sah gerade hinunter, als sie das sagte. Ich war so überrascht, daß ich meinte, Himmel und Erde hätten einen Purzelbaum geschlagen.
    »Du hast gesagt, ich soll ihr eine geben, und da dachte ich, dann ist es wohl besser so.« Als ich mich umsah, grinste Sui. Ihre weißen Shorts schwebten in der Dunkelheit. Ihre weißen Zähne auch.
    »Du hättest sie ihr doch wenigstens persönlich geben können!« sagte ich, worauf sie verlegen antwortete: »Nie! Viel zu peinlich!« Dann verkündete sie: »Ich bin besoffen« und drehte sich auf den Bauch. Eine Weile hatte sie am Boden

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