Na endlich Liebling
ablenken! Justin
blickte umher. Eine große schwarze Kuh sah böse zu ihnen herüber und schlug mit
dem Schwanz hin und her. Zwar muhte sie nur halblaut, aber es klang gefährlich.
Er hatte gehört, daß schwarze Rinder besonders bösartig seien — und dieses
Mädchen bat ihn ganz einfach, die alte Kuh ein wenig abzulenken! Wie sollte er
das anstellen?
Das Problem löste sich von
selbst, denn gerade jetzt entdeckte die Kuh den fremden Hund. Sie senkte den
Kopf und brüllte laut. Ihren Sprößling , um den Sally
sich mühte, beachtete sie nicht mehr. Sie ging zum Angriff über — Hund oder
Mann, das war ihr gleich.
Justin war schon immer ein
guter Sprinter gewesen und hatte manchen Hürdenlauf gewonnen. Im Nu war er am
Zaun und auch schon drüber weg. Flick hielt sich dicht hinter ihm. Der Hund
duckte sich an der unteren Querstange — da kam schon der Stoß der Kuh, die zum
Glück keine Hörner hatte. Flick quietschte vor Entsetzen, rannte hinter seinem
Herrn her, der sein Gleichgewicht nach dem Hürdensprung noch nicht
wiedererlangt hatte; er fuhr ihm zwischen die Beine, und im nächsten Augenblick
rollten beide im Gras.
Sally schien das alles nichts
auszumachen. Sie war mit dem Kalb beschäftigt und rief nur: »Prima! Das war ein
guter Trick! Aber nehmen Sie sich vor dem Mist in acht!«
Justin nahm sich in acht. Noch
auf allen vieren, starrte er voller Abscheu auf einen gewaltigen Kuhfladen, den
er gerade noch — um Haaresbreite! — verfehlt hatte. Wirklich, bei einem
friedlichen Sonntagsspaziergang mit Sally konnte man allerlei erleben.
Zu Hause fanden sie Clive
Kennedy, der mit gelangweilter Höflichkeit einer Mozart-Symphonie lauschte. Mr.
Ross hatte die Platte auf seinem wertvollen Grammophon aufgelegt. Justin war
sich im klaren , daß nun auch Clive zum Zuge kommen
mußte. Augenscheinlich war der Streit zwischen den beiden beigelegt.
Da hörte er, wie Clive sagte:
»Dieser Kerl ist ein Reinfall, Sally. Wirf ihn doch wieder raus!«, und ihre
müde Antwort: »Das kann ich nicht. Er hackt das Holz und melkt die Kuh; er ist
eben doch eine Hilfe, und du weißt ja, wie schwer es ist, allein mit der ganzen
Arbeit fertig zu werden.«
Später, als Philip Ross auf der
Suche nach einer anderen Platte aufgestanden war, sagte sie halblaut: »Ich
finde den Alf auch widerlich. Aber er behauptet, daß ihm so viel am
Familienleben liegt und möchte abends bei uns sitzen. Vater macht das nichts
aus; er schiebt den Plattenspieler in sein Zimmer und geht zu Bett. Aber mir hängt’s zum Hals raus.«
Sie sprach sehr ernst, und
Justin erkannte auf einmal, daß dieses bezaubernde Mädchen keinen Humor besaß.
Im ersten Augenblick war er enttäuscht, fand dann aber, daß das ihren Reiz
sogar noch erhöhte. Schließlich gab es auf der Welt so viele witzige, lustige
und geistreiche Mädchen. Diese Sally war eben ganz einfach anders. Auch
der spritzigste Humor konnte in seinen Augen nicht ihre ernsthafte und
freundliche Anteilnahme aufwiegen.
Justin hatte nicht oft die
zweite Geige spielen müssen, und sein eigener Edelmut begann ihn zu ermüden. Es
war sicherlich eine menschenfreundliche Idee, den Vater abzulenken, damit das
junge Paar zu seinem Recht kam. Aber Menschenfreundlichkeit kann auch sehr anstrengend
sein. Im ganzen war er recht froh, als der Abend vorüber war. Später sagte er
zu Percy: »Mr. Ross tut mir leid.«
Der Posthalter sah ihn über
seine Brille hinweg an. »Was willst du damit sagen?« — »Nun, Sally geht hier
einfach kaputt. Sie hat überhaupt keine Chancen.«
Percy grinste. »Aber heute nachmittag hatte sie eine. Wenigstens Clive hatte
eine. Er kam hier vorbei, und als ich ihm erzählte, wo du bist, sagte er:
>Das ist gut, der wird jetzt mit dem alten Trottel plaudern!< Und als ich
bemerkte, so dürfe man doch nicht von einem feinen Herrn reden, meinte er:
>Das ist jetzt meine Chance, und die werde ich nutzen.<«
Justin verfiel in düsteres
Schweigen. Es war eine gute Sache, Sally beizustehen, aber Clive Kennedy
brauchte davon nicht zu profitieren. Ein andermal würde man schon sehen, wer
mit dem alten Trottel plauderte!
6
Am nächsten Morgen hatte Justin
seine gute Laune und seinen Humor wiedergefunden. Er sagte sich, daß es
idiotisch sei, Sally ihre Zuneigung für Clive zu verübeln; der war schließlich
»ihr fester Freund«, wie Percy sich ausdrückte. Er rief sich ins Gedächtnis,
daß das hier doch nur ein Spiel für ihn sei, die Austragung einer Wette. Er dachte
auch an
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