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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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tiefausgeschnittene Dirndl trugen. «Ich habe auch so eins», hatte mir Roni ins Ohr geflüstert. «Bekommst du nicht langsam Lust auf eine Lederhose?»
    «Auf keinen Fall. Es gibt Dinge, die macht man einfach nicht.»
    «Schade, würde dir bestimmt gut stehen.»
    Auftritt Knoll: «Meine Herren, des is da Waschtl, er schaugt zwar aus wia a Vertreter, is aba a Guada.» Die Anwesenden nickten mir vom Tisch aus zu und musterten mich. Ich lockerte die Krawatte und ließ sie lässig um meinen Kragen hängen.
    «Da hinten», erklärte Knoll und deutete mit dem Finger hinter sich, «beginnt Österreich.» Ich konnte keinen Unterschied zwischen den Bergen verschiedener Nationen erkennen und setzte mich erst mal hin. Eine ältere Frau verteilte Liedzettel und drückte auch mir einen in die Hand. «Des is ned zum Überprüfen, ob die andern richtig singa», witzelte sie, «des is zum selba singa.»
    Ich wollte Knoll einen verschwörerischen Blick zuwerfen, aber der war plötzlich verschwunden. Dann begann die Messe: Ein Pfarrer verlas Metaphern über das Wandern und die größere Nähe von Alpenvölkern und dem Himmel. Als sich die Menschen eine halbe Stunde später zum Abendmahl in Richtung Altar in Bewegung setzten, flohen wir.
    Ein paar hundert Meter unterhalb der Bergstation trafen wir Knoll mit einem Musikerkollegen an einer Bierbude wieder. «Oans hab i in olle dene Musikerjahrn glernt», sagte Knoll. «Rechtzeitig abhaun.»
    Dann stellte er mir seinen Kollegen vor: «Des is da Huberfranzl, der spuit die Tuba. Des is da Chef von da Obrigkeit.» Die Obrigkeit – so nannte sich Knolls Blaskapelle.
    «Leider bin ich musikalisch nicht sehr begabt», gestand ich und fragte Huberfranzl, was denn das Besondere am Weisenblasen sei. Jetzt zum Beispiel im Unterschied zur Marschmusik.
    «An Marsch spuist hoit so oba. Beim Weisenblasen gibst as ganze Gfui nei», erläuterte Huberfranzl mit ernstem Gesicht. «Des is die traurige Schwester von da Marschmusi.»
    «Ah geh, jetzat red hoid ned so gscheit daher», mischte sich Knoll ein. «Des Weisenblasen is da Bluhs. Da Bluhs von Bayern: traurig, aba schee. Und mit Paua. Mia spuin an Bluhs grad so, wie an da Dschimi gschpuit hod. Bloß ohne die elektrische Gitarrn.»
    Kurz darauf war der Gottesdienst zu Ende, und Die Obrigkeit musste «Kein schöner Land» vortragen. Meinem Gefühl nach auf halber Geschwindigkeit. Dabei schauten alle Musikanten sehr traurig. Eine interessante Erfahrung, die ich dennoch nicht länger machen wollte als nötig. Deshalb schlug ich Roni einen kleinen Spaziergang vor. Ganz romantisch. Sie hatte Lust. Ihre Mutter auch.
    Als wir zur Bergstation Heldenried zurückkehrten, hatte Die Obrigkeit gerade Pause. Aber nur von der Musik, denn je später es wurde, umso mehr Touristen fanden den Weg herauf. Sogar eine Gruppe Asiaten trieb sich auf der Panoramaterrasse herum. Sie zeigten mit den Fingern auf die Bayern oder bauten sich direkt vor ihnen auf und schossen ihnen Blitze in die Augen.
    Da ich als einziger Mann am Tisch keinen Trachtenanzug trug, wurde ich nicht fotografiert. «Des is ungerecht», fand Knoll und setzte mir seinen Hut auf den Kopf. Huberfranzl legte mir seinen Lodenmantel über die Schultern. Nun sah ich auf den ersten Blick aus wie ein Bayer. Auf den zweiten Blick wirkte mein Aufzug mit Hemd und Krawatte, der karierten Anzughose, Lodenmantel und Hut einfach nur völlig bescheuert. Ein guter Grund, mich jetzt doch zu fotografieren.
    «How do you call your style?», fragte mich ein junger Japaner mit seltsam italienisch anmutendem Akzent. Wie ein fernöstlicher Pete Doherty trug er enge Designerklamotten, Nietenzeugs und einen eleganten, schwarzen Hut. Um seinen Hals hingen gleich zwei Fotoapparate, ganz klar die Accessoires des Profis.
    Bevor ich ihn wegschicken konnte, zwängte sich Roni zwischen uns. Mit ernstem Gesicht sagte sie: «His style is brandnew. It’s called Bavarian Anarchy.» Das freute den Modeheini. «Awesome! You’re an Anarchist from Bavaria?»
    Knoll schaltete sich ein: «Naa, der do ned. He is from Germany, next to Bavaria. From Börlin, City of Hipness.»
    Der Asiate flippte fast aus: «O yeah, Berlin is so cool! I am a fashion photographer from Tokyo and I’m looking for the real hot shit, you know, the freshest styles. May I take your picture?»
    «Sure», sagte Roni und trat zur Seite.
    «Greatgreatgreat!», brabbelte der Fotograf und schoss eine ganze Serie. Ich spielte mit, schob mein Kinn vor und versuchte, finster

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