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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Mein Herz rast, ich bin unfähig, von Luzifers Rücken abzusteigen. Erst jetzt galoppiert das lange Mädchen über die Ziellinie. Da taucht Lissy neben mir auf. Wie ein Kind hebt sie mich von Luzifers Rücken. Der Regen wäscht alle Aufregung von mir ab. Ich fühle mich wie neugeboren.
    Die Lautsprecher übersteuern. «Ja, des wor fei a beeindruckende Darbietung», kommentiert der Moderator. Die meisten Zuschauer haben sich unter den Bäumen oder dem Dach der mobilen Bierbude in Sicherheit gebracht. Ein Ochse steht noch am Start und schaut missmutig in den Regen hinaus, ein anderer sitzt quer auf der Rennstrecke. «Jetzt gemma schnei ins Zelt», befiehlt die Lautsprecherstimme. «Gwunna ham da Luzifer, die Lissy und da Waschtl.» Die Zuschauer klatschen.
    Auf Lissys Rücken reite ich ins Festzelt. Dort lässt sie mich runter. «Bist gritten wia d’Sau», lobt sie und schenkt mir ihr tolles Lächeln. Jemand drückt mir ein trockenes T-Shirt in die Hand. Darauf steht «Ochsenverband Niederbayern» und ein Logo, das dem von Red Bull verblüffend ähnelt. Knoll taucht neben mir auf und reicht mir eine Maß. Ich trinke in großen Schlucken und setze den Krug halbleer wieder ab. Wie in Trance lasse ich das weitere Procedere über mich ergehen: Gratulanten, ein großer Pokal, immer wieder Hochgehobenwerden von Lissy, die scheinbar Spaß daran gefunden hat.
    Einige Zuschauer, erzählt Knoll, hätten nach meinem Namen gefragt. Auch ein paar Leute vom Verband. Und als er mich auf dem Ochsen gesehen habe, da sei ihm ein guter Name eingefallen. Er grinst verschwörerisch: «Da wuide Waschtl.» Ich schaue ungläubig. Knoll nickt. «Du bist auf’m Luzifer gsessn, host brüllt wie am Spieß und bist gritten wia da Deifi.»
    Roni fällt mir ein. Sie hat mal gesagt, einen wirklich guten Spitznamen müsse man sich verdienen. «Der wilde Waschtl», wiederhole ich flüsternd.

NUNTER KIMMST IMMER
    E in neuer Ruck. Die Gondel pendelt unheilvoll am Seil. Einige ältere Damen rufen «Huch!» und wanken tapsig umher. Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter und drehe mich um. Roni! «Keine Angst», flüstert sie. «Ich bin schon achtmal in einer Gondel stecken geblieben. Es geht gleich weiter.» Ich wage nicht aufzuatmen, weil es immer noch so streng riecht.
    «Leider hakt die Gondel a bisserl», hatte die Frau an der Talstation noch gesagt, bevor sie mir die Tickets aushändigte. Aber statt ihren Einwand ernst zu nehmen, hatte ich nur müde genickt.
    Morgens um halb sechs waren wir aufgestanden, um zum «5. Weisenbläser-und Tanzmusikantentreffen im Allgäu» zu fahren. Auf dem Plakat neben dem Ticketschalter stand: 11 : 30 Uhr katholische Bergmesse mit musikalischer Begleitung an der Station Heldenried. Zwar war die Blasmusik von Knolls Kapelle der Hauptgrund unserer Exkursion, aber wann hat ein Berliner schon einmal die Chance, eine echte Bergmesse zu erleben?
    Das Faszinierende, aber auch das Dumme an einer Bergmesse ist, dass sie auf einem Berg stattfindet. Da ich nicht ganz schwindelfrei bin, habe ich Gondelfahren immer gehasst. Aber vor Roni wollte ich mir keine Blöße geben. Und, ja, die Gondel hatte schon auf dem Weg nach oben gehakt. Immer, wenn wir einen Trägermast passierten, ruckelte die Kabine, dass ich uns schon am Berghang zerschellen sah.
    Knoll war mit seiner Blaskapelle vorgefahren. Da er sich nicht für mich schämen sollte und Ronis Mutter auch dabei war, hatte ich extra ein weißes Hemd, eine Krawatte und eine karierte Anzughose angezogen.
    Oben auf der Alpenpanoramaterrasse der Bergstation saßen die erwartungsgemäß braungebrannten Naturburschen neben üppigen jungen Frauen. Und natürlich die gefürchteten Gore-Tex-Rentner. Die meisten Besucher aber waren Musikanten im besten Mannesalter, in grünen und braunen Lederhosen mit phantasievoll geschnörkelten Kräuter-und Blumenapplikationen. Dazu trugen sie mehrheitlich dicke «Wadlstrümpfe». Das sind popelfarbene Schenkel-Schweißbänder für die Beinmuskulatur, die offenbar als Dekolleté des bayerischen Mannes gilt. Selbst Knoll zeigte heute erstaunlich viel Bein. Auf dem Kopf trug er, wie die anderen Musikanten, einen kleinen schwarzen Hut. An seinem Exemplar jedoch prangte am meisten Gedöns: ein großer weißer Puschel, ein Edelweiß-Anstecker, das bayerische Löwenwappen und eine kleine blaue Blume – eigentlich eher ein Hut für die Queen.
    In meiner Kluft fiel ich auf wie ein Konfirmand bei den Hells Angels . Zumal auch die Frauen der Musikanten

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