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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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da­mit die Zug­span­nung. Die ge­wal­ti­ge Tür kipp­te aus ih­rer Fas­sung, stell­te sich schräg auf ei­ne Sei­te, stürz­te nach vorn und gab da­mit den Weg frei in die Gruft.
    408b war der ers­te, der sich auf den nun of­fe­nen Zu­gang hin in Be­we­gung setz­te. Es klet­ter­te auf die um­ge­stürz­te Tür, blieb dort einen Au­gen­blick ste­hen, starr­te in die Gruft hin­ein und wink­te auf­ge­regt mit sei­nen Ten­ta­keln. Dies war der Hö­he­punkt der Lauf­bahn von 408b: Der Spe­zia­list für Pa­läo­tech­no­lo­gie blick­te in ei­ne Kam­mer, die voll­ge­stopft war mit bes­tens er­hal­te­nen Ma­schi­nen der Er­ha­be­nen. Ge­ra­de als Jan und ich die Tür er­reich­ten, stürm­te 408b be­geis­tert in die Gruft hin­ein.
    Ein blen­den­der Blitz aus gelb­li­chem Licht leck­te aus dem obe­ren Be­reich des of­fe­nen Zu­gangs. Einen Au­gen­blick lang stand die gan­ze Öff­nung in Flam­men. Jan und ich stol­per­ten zu­rück und be­deck­ten die Au­gen. Als wir die Hän­de wie­der sin­ken lie­ßen, war der Glanz ver­schwun­den. Und 408b eben­falls. Nur zwei ver­kohl­te Ten­ta­kel, die di­rekt im Ein­gang la­gen, wa­ren von ihm üb­rig­ge­blie­ben.
    Ich bin noch nie zu­vor mit dem Tod – ei­nem dau­er­haf­ten Tod – kon­fron­tiert wor­den. Ich ha­be ein­mal ein Un­glück auf ei­ner Bau­stel­le ge­se­hen und meh­re­re Un­fäl­le, in die Fuß­gän­ger ver­wi­ckelt wa­ren, aber je­des­mal kam in­ner­halb we­ni­ger Mi­nu­ten ein Ein­frier­wa­gen an, und die Op­fer wur­den rasch zur Be­hand­lung in ein Wie­der­er­we­ckungs-La­bo­ra­to­ri­um ge­bracht. So et­was be­trach­tet man nicht als Tod, nur als ei­ne Art Zwi­schen­spiel. 408b aber war ver­schwun­den. Jen­seits al­ler Hoff­nung auf Wie­der­er­we­ckung – ver­streu­te Ato­me kön­nen nicht wie­der zu­sam­men­ge­setzt und mit neu­em Le­ben er­füllt wer­den. All sei­ne Fä­hig­kei­ten, sein Wis­sens­schatz, sei­ne Hoff­nung auf zu­künf­ti­ge, neue Er­kennt­nis­se … ver­schwun­den.
    In ei­ner Zi­vi­li­sa­ti­on, in der die meis­ten To­des­fäl­le nur zeit­wei­lig sind, ist der wirk­li­che und end­gül­ti­ge Tod schreck­lich und er­schüt­ternd. Wir an­de­ren ver­sam­mel­ten uns, tra­ten vor der Gruft be­stürzt und be­nom­men auf­ein­an­der zu. Jan be­gann zu schrei­en. Ich nahm sie in die Ar­me, ent­deck­te dann, daß mir selbst nach Schrei­en zu­mu­te war, be­herrsch­te mich aber. Mir­rik be­te­te. Pi­la­zi­nool schraub­te et­wa zwan­zig­mal in­ner­halb von zwei Mi­nu­ten sei­nen rech­ten Arm ab und wie­der an. Dr. Schein fluch­te lei­se. Steen Steen zit­ter­te wie Es­pen­laub. Und Leroy Chang wand­te sich ab und ließ sich als ein Häuf­chen Elend auf den Rand der Tür sin­ken. Dr. Horkkk war der ein­zi­ge, der sich völ­lig in der Ge­walt zu ha­ben schi­en. „Weg vom Zu­gang!“ rief er, und wäh­rend wir zu­rück­wi­chen, nahm er einen Stein auf und warf ihn in die Gruft hin­ein. Er­neut fla­cker­te der Blitz auf.
    Wir wa­ren nicht oh­ne wei­te­res in der La­ge, die Kam­mer zu be­tre­ten. Das war ziem­lich klar.
    Der Tod von 408b hat­te uns zu sehr aus der Fas­sung ge­bracht, als daß wir so­fort wei­ter­ma­chen konn­ten. Wir zo­gen uns in die Fäh­re zu­rück, wo Mir­rik auf Dr. Scheins Bit­te hin einen Ge­dächt­nis­got­tes­dienst für den Pa­läo­tech­no­lo­gen durch­führ­te. Nicht ein­mal Mir­rik hat­te ei­ne Vor­stel­lung da­von, wel­che Art von Re­li­gi­on sie drü­ben auf Bel­la­trix XIV ha­ben, und des­halb ver­an­stal­te­te er ei­ne pa­ra­do­xis­ti­sche Mes­se, knapp und ir­gend­wie be­we­gend. Ich will nicht ver­su­chen, an die­ser Stel­le al­les zu wie­der­ho­len. Ich kann mir nur ei­ne Stel­le da­von ins Ge­dächt­nis zu­rück­ru­fen, die pa­ra­do­xis­tischs­te von al­len: „Dei­ne Zeit hat ein En­de, uns zu leh­ren, daß die Zeit end­los ist. Du ver­kürzt un­se­re Ta­ge, auf daß un­se­re Ta­ge län­ger wer­den. Du machst uns sterb­lich, auf daß die Ewig­keit un­ser sei. Ver­gib uns, o Va­ter, wie auch wir Dir ver­ge­ben. Amen.“
    Ei­ne Stun­de spä­ter kehr­ten wir vor­sich­tig zur Gruft zu­rück.
    Un­se­re Stim­mung war na­tür­lich düs­ter und

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