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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Breuer
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hier viel gewandert, das waren aber sowieso ganz andere Zeiten. Und andere Beine.«
    »Dann schieben wir halt die Räder«, meinte Bärbel leichthin.
    »Bis Abenden ist es auch nicht mehr weit, und dahin wolltest du doch, nicht wahr?«
    »Genau«, bestätigte Lorenz. »In Abenden öffnet sich das Tal. Zu der Seite der Rur, auf der wir uns befinden, liegen breite Wiesen – Benden genannt in der hiesigen alten Mundart, daher der Ortsname. Auf der anderen Seite des Flusses liegen die steilen Hänge des Roßberges. Ein paar hundert Meter weiter kommt Blens, da öffnet sich das Tal noch weiter, und der Odenbach kommt von Schmidt herunter und bildet ein schmales Seitental, in dem auch für eine große Marschkolonne die Querung des Höhenzuges möglich ist. Genau eine solche Stelle wird in den historischen Quellen als Ort der Ambiorix-Schlacht genannt. Die Eburonen versperrten dem Kopf der Kolonne den Weg, stießen von hinten nach, und die Römer konnten weder zur Seite ausweichen noch waren sie in der Lage, ihre Kampfformation einzunehmen. So konnten die Angreifer sie von den steilen Hängen aus mit Wurfgeschossen dezimieren, wie Julius Caesar selbst es in seinem   Gallischen Krieg   beschreibt.«
    »Das habe ich in der Schule auch lesen müssen«, meinte Bärbel. »Gallia est omnis divisa in partes tres. Aber an den Ambiorix kann ich mich nicht erinnern, vor allem nicht daran, dass Caesar eine große Schlacht hier in meiner Heimat verloren hat.«
    »Das liegt daran, dass er natürlich keine Ortsangaben gemacht hat, die wir direkt im Straßenatlas nachlesen könnten.« Lorenz machte eine Pause, in der er seine heftig arbeitenden Lungen mit Luft versorgte. »Aber es gibt Hinweise im   Bellum Gallicum   und in anderen Quellen, aus denen man schließen kann, wo die Schlacht stattgefunden hat.«
    Langsam gingen sie weiter. Nach der schnellen und kurvenreichen Abfahrt erschien ihnen die lange Gerade unendlich. Lorenz machte nun sein Bein wieder zu schaffen, das er an diesem Morgen bis dahin überhaupt noch nicht gespürt hatte. Er hatte nicht vor, sich dadurch seine verbesserte Laune wieder vermiesen zu lassen. Dennoch wurde ihm klar, dass seine wiedergewonnene Tatkraft noch sehr instabil war. Und so ließ er den Blick schweifen. Zu ihrer Rechten stieg der bewaldete Hang zur Raffelsley steil an. Lorenz wusste, dass sich im Schatten der Bäume über ihnen skurrile Felsen befanden, die man von der Straße aus nicht sehen konnte. Auf der anderen Seite hätten sie eine schöne Bachaue sehen können, wenn der Straßenrand nicht mit dichten Büschen bepflanzt gewesen wäre. Als die lange Steigung sich endlich ihrem Ende näherte, kam der Ortseingang von Abenden in Sicht. Lorenz war erleichtert, sich wieder aufs Rad setzen und sich ins Dorf hinunterrollen lassen zu können. Darüber vergaß er sogar, über den linker Hand hoch über der Straße liegenden Hondjesberg zu berichten, dessen mit einem markanten Felsenturm besetzter Kopf einmal eine keltische Wehranlage gewesen und bis in das Mittelalter militärisch genutzt worden war. Kurz darauf hielten sie auf einer Brücke, unter der die Rur floss.
    »Hier öffnet sich das Tal«, erklärte Lorenz. »Flussabwärts geht’s düster und eng in Richtung Zerkall, wo die dunkle Vergangenheit unseres lieben Gustav seinen Anfang nahm. Aufwärts aber kommt der Lüppenauer Auel, da wird das Rurtal breit. Eine solche Stelle, nicht weit entfernt vom Stützpunkt Niteca, dem heutigen Nideggen, beschreiben verschiedene historische Quellen als das gesuchte Schlachtfeld. Dies meinte jedenfalls damals Andreas Pohl, ein Pfarrer aus Blens, aus antiken und mittelalterlichen Autoren herausgelesen zu haben. Die Römer wollten, da sie einen großen Angriff auf ihre in der Eifel verteilt liegenden Winterlager fürchteten, zum nächst größeren Lager flüchten, um sich dort gemeinsam besser verteidigen zu können. Das hat jedenfalls der listige Ambiorix, der eigentlich ein Verbündeter war, ihnen weisgemacht. Er wusste aber, dass er nur mit größten Verlusten auch nur eines der Lager hätte angreifen und vernichten können, und so wartete er hier auf seine Chance. Und der Legat Sabinius, den Caesar in seinem   Bellum Gallicum   im Nachhinein als recht dämlich darstellt, tappte in die Falle, trotz der Warnungen seines Vize, des kampferfahrenen Lucius Cotta. Auf der anderen Rurseite erheben sich der Roßberg und der Odenbleuel. Die erste Möglichkeit, diese Hügelkette zu überqueren und die weiter

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