Nach alter Sitte
dem Fahrrad zu bewältigen. Für heute war es genug. Der Alte war zufrieden.
8. Kapitel
Bärbel legte das Bild auf den Tisch und schlug sorgfältig die Decken auseinander, in die sie die dünne Holztafel verpackt hatte. »Am liebsten würde ich das Bild erst einmal kriminaltechnisch untersuchen lassen«, meinte sie. »Fingerabdrücke und so. Ich vermute, dass der Maler weit Schlimmeres auf dem Gewissen hat als nur eine Kunstfälschung.«
Justus Neuendorf betrachtete das Bild neugierig, berührte es aber nicht. »Kein Problem«, murmelte er. »Wir haben mittlerweile modernste Analysemöglichkeiten hier. Woodsches Licht, Infrarot-Spektroskopie, Reflektografie. Markierungen auf der Oberfläche wie Fingerabdrücke sind einfach. Wir finden sogar Fingerabdrücke in tieferen Farbschichten, die übermalt wurden. Nur DNA-Analysen und Ähnliches sind hier nicht möglich. Aber da wir nichts zerstören, kann man das bei Bedarf auch noch nachholen. Ich werde das Bild nicht einmal berühren.«
Neuendorf rückte seine Brille zurecht und beugte sich über den Tisch, sodass er Details der Bildoberfläche betrachten konnte. »Und sonst?«, fragte er beiläufig. »Wie bekommt dir das verantwortungslose Leben im Ruhestand?«
»Gut«, antwortete Bärbel. »Ich bewohne ein schönes Appartement, muss mich weder um Essen noch um sonstige Hausarbeit kümmern, und liebe Freunde habe ich auch gefunden.«
»Schön«, meinte Neuendorf, der mit seinen Gedanken schon wieder ganz bei dem Bild war und kaum zugehört hatte. »Das ist ja schon ein bemerkenswertes Ding, was du hier angeschleppt hast. Der Künstler hat sich keine Mühe gegeben, ein authentisches Alter vorzutäuschen. Frische Farben, keine braune Soße, keine Risse in der obersten Farbschicht. Aber die Nachahmung des Originals ist geradezu atemberaubend. Und dann gibt er den Figuren teilweise falsche Gesichter. Das ist ein enormer Aufwand für eine offensichtliche Fälschung, nicht wahr?«
»Deshalb bin ich hier. Wir müssen herausfinden, wann das Bild gemalt wurde, welche Farben verwendet wurden, am besten lieferst du mir den Namen des Malers. Und komm mir nicht mit Stephan Lochner.«
Neuendorf grinste. »Wenn ich auf den stieße, würde mir das Angst machen. Aber im Ernst, ich wäre nicht überrascht, wenn sich der Urheber dieses Werkes als ein Bekannter entpuppt. So gut malt keiner, der überhaupt keine Berührung mit der Kunstszene hat, wage ich zu behaupten. Vor allem die Stilsicherheit ist bestechend, von der handwerklichen Klasse ganz zu schweigen.«
»Bitte hol aus dem Bild raus, was an Informationen nur irgend möglich ist«, bat Bärbel. »Das Schicksal eines guten Freundes ist damit verknüpft. Das Gesicht des betenden Stifters ist seines. Und das Antlitz der heiligen Katharina gleicht dem seiner Tochter, die vor vielen Jahren spurlos verschwand. Mein Freund will jedoch noch keine Polizei einschalten. Ich fürchte Schlimmes, wenn wir nichts herausfinden.«
»Wir werden, wir werden«, murmelte Justus. »Pass auf, Barbara: Ich habe jetzt gleich eine Vorlesung, danach mache ich mich mit einem guten Assistenten sofort an die Arbeit. In einem, spätestens zwei Tagen kann ich dir die Geschichte dieses Bildes erzählen, das verspreche ich dir.«
Bärbel nickte. »Das hoffe ich, Justus. Ich hoffe es wirklich sehr.«
Die Schmerzen waren unerträglich. Er versuchte, gerade und entspannt in seinem Zimmer auf und ab zu gehen, doch das war nicht möglich.
Mit zitternden Händen drückte er eine Kapsel aus dem Blister und schluckte sie. Spülte mit dem Rest kalten Kaffees nach, der vom Frühstück in der Tasse verblieben war. Er wusste, in wenigen Minuten würden die ärgsten Krämpfe nachlassen. Und niemand da draußen sollte den Eindruck haben, er sei schwach. Denn das war er nicht. Auf keinen Fall würde er Schwäche zeigen.
Oder Gnade.
»Lange her, dass ich so herrlich sinnlos im Dreck gebuddelt habe!« Gustav wischte sich den Schweiß von der Stirn und hinterließ dort einen braunen Streifen von fetter Erde.
Lorenz hielt ebenfalls inne und grinste: »Jetzt habe ich eigens einen ehemaligen Minenbesitzer und Bergbauspezialisten an meiner Seite, und was ist die Ausbeute?« Er wies auf ein paar Kieferknochen mit dicken Mahlzähnen, die offensichtlich von Kühen stammten.
Gustav verteilte den Rest der Erde, die an seinen Händen klebte, jetzt auf seinem Schädel. »In Uruguay nach Silber zu suchen, ist auch etwas anders, als in der Eifel nach – ja, nach was suchen wir
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