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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Breuer
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südwestlich liegenden Lager zu erreichen, ist das eben erwähnte Odenbachtal.«
    »Dann lass uns doch dahin fahren«, meinte Gustav, der weitere Vorträge befürchtete. »Von dort haben wir doch das ganze Tal im Blick. Aber das liegt wieder ein kleines bisschen höher als unser jetziger Standpunkt.«
    »Wenn du meinst, mich damit schrecken zu können, dann muss ich dich bitter enttäuschen. Los geht’s!«
    Lorenz schwang sich aufs Rad und strampelte munter vorneweg. Als der Wanderweg, den er wählte, bald den flachen Verlauf des Flusses und der Trasse der Rurtalbahn verließ und steil in den Hang anstieg, erlahmte sein Schwung schnell. »Seltsam«, meinte er, als er wieder vom Rad stieg. »Das war doch hier nicht immer schon so steil?«
    Bärbel kicherte. »Vermutlich bist du diesen Weg zuletzt vor dreißig Jahren gegangen, oder?«
    »Könnte schon sein«, murmelte Lorenz kleinlaut und schob sein Rad sehr langsam vorwärts. Glücklicherweise wurde der Weg nach einer engen Schleife bald wieder flacher und blieb auf einer Höhenlinie, bis sie die breiten Rurwiesen bei Blens erreichten. Dort radelten die drei entspannt am Waldrand entlang bis zum Blenser Friedhof. Daneben, direkt am glucksenden Odenbach gelegen, lud eine Grillhütte zum Verweilen ein. Bärbel hatte sofort beschlossen, hier das Picknick auszubreiten. Bald aßen sie im Schatten der Bäume und genossen den Ausblick aufs Rurtal. Das Odenbachtal zeigte sich als eine steil ansteigende Wiese, auf der eine Vielzahl bunter Blumen blühte. In südöstlicher Richtung konnte der Blick frei über ausgedehnte Wiesen und Felder bis zu den hohen Sandsteinfelsen schweifen, die an der Landstraße nach Heimbach aufragten. Dahinter erstreckte sich das weite Gebiet des Badewaldes, über das Lorenz dann während des Essens referierte. Funde aus der Steinzeit, Kelten und Römer, die Eisenstraße, Alemannen gegen Franken in der Chlodwigschlacht, diverse Erzbischöfe gegen den Grafen Wilhelm von Nideggen. Die Freunde hörten geduldig zu, wussten sie doch, wie gern der Alte die Geschichte seiner Heimat ausbreitete. Zudem glaubten sie mit Recht, dass er darüber die Erinnerung an den herben Verlust seiner geliebten Tochter besser würde verkraften können. Doch bald wurde selbst Lorenz des Erzählens müde, und als die drei sich satt gegessen hatten und eine Weile zufriedene Stille herrschte, streckte er die Beine aus und schloss die Augen für einen Moment.
    Als er sie wieder öffnete, stellte er erstaunt fest, dass mehr als eine Stunde vergangen war. Bärbel hatte alles bereits wieder eingepackt. Gustav sah ihn grinsend an. »Wünsche wohl geruht zu haben. Fertig für den Rückweg?«
    »Denke schon.« Lorenz erhob sich und reckte seine Glieder, die auf der Holzbank etwas steif geworden waren. Als sein Gesäß Kontakt mit dem Fahrradsattel aufnahm, fiel ihm spontan ein, dass er Benny anrufen wollte, sobald die Heimfahrt anstehen würde.
    »Und nun?«, fragte Bärbel ihn, während sie losfuhren. »Können wir heute schon etwas über das gesuchte Schlachtfeld herausfinden? Du hast doch bestimmt schon oft diese Gegend daraufhin betrachtet, oder?«
    »Schon«, antwortete Lorenz. »Aber ich hatte gehofft, heute die Landschaft mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht fällt mir ja nun etwas auf, was ich damals immer übersehen habe. Die Gegend hier ist aber in zweitausend Jahren verdammt oft umgepflügt worden. Man müsste hier sicherlich tief und aufwändig graben, um Zeugnisse antiker Geschehnisse zu finden. Das hat man wohl von offizieller Stelle immer gescheut.«
    Sie fuhren die Straße in Richtung des Zentrums von Blens und auf die ersten Häuser zu. Lorenz fiel ein Bagger ins Auge, der auf der Wiese stand und bereits eine tiefe Grube ausgehoben hatte. Spontan bremste Lorenz und stieg vom Rad.
    »Was ist?«, fragte Gustav. »Schon wieder müde?«
    »Au contraire, mon cher«, meinte Lorenz und fügte leise hinzu: »Der alte Ermittler hatte den letzten Gedanken nicht umsonst gehabt. Vielleicht wäre ihm dieser Fingerzeig des Schicksals gar nicht aufgefallen.« Er stakste über die Wiese, auf der eine Menge ausgehobener Erde herumlag, bis an den Rand der Grube. Nachdenklich blickte er hinein.
    »Was gibt es hier zu sehen?«, fragte Bärbel, die wie Gustav dem Alten gefolgt war.
    »Dass ich nicht damals schon darauf gekommen bin«, brummte Lorenz. »Hier wurde früher schon gebaut. Wenn die Leute einen Keller ausheben, gräbt man mehrere Meter tief. Tief genug vielleicht, um in die

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