Nach alter Sitte
auf das Wühlen im Dreck verspürte. Nach den ersten Stunden der erfolglosen Suche hatte sein Enthusiasmus ohnehin bereits spürbar nachgelassen, und Wildschweinbraten, ein paar Gläser Pils und die Sommersonne hatten ihr Übriges getan. Entsprechend unlustig machten sie sich wieder an die Arbeit. Umso erstaunter war Lorenz dann, als Gustav sagte: »Schau mal, kann das vielleicht etwas sein?«
Er hielt etwas in der Hand, was wie ein Stück verdrecktes Segeltuch aussah, aber an einer Stelle, wo die Erde abgebröckelt war, metallisch wirkende Ösen aufwies. Sie trugen den Fund zum Wassertrog und spülten vorsichtig den gröbsten Dreck ab. Als mehr von der metallischen Struktur zum Vorschein kam, jubelte Lorenz: »Wer sagt es denn! Lorica Hamata!«
»Was?«, fragte Gustav. »Hört sich an wie ein Tiername.«
»Ach wo, du alter Lateiner. Dies ist ein Stück von einem römischen Kettenhemd. Siehst du hier, diese verrosteten Knubbel sind miteinander verflochtene Eisenringe, ganz sicher ist dies das Panzerhemd eines römischen Legionärs.«
»Wat is denn dat wert?« Wilhelm Naas war neben sie getreten. »Dat is mein Grundstück, also jehört dat doch mir, oder?«
»Sieh da, Sie können sogar so etwas Ähnliches wie Hochdeutsch sprechen, wenn’s um Geld geht«, grinste Lorenz.
»Papa, so etwas ist nicht wirklich etwas wert«, sagte ein junger Mann, der zu den drei Alten getreten war. »Rolf Naas, ich bin der Sohn«, stellte er sich vor.
Lorenz nickte zustimmend. »In der Tat, es gibt genügend Fundstücke dieser Art, die wesentlich besser erhalten sind. Es geht uns auch nicht um den wirtschaftlichen Wert eines solchen Fundes, sondern um den historischen. Ich will nachweisen, dass hier in der Antike eine große Schlacht stattgefunden hat.«
»Müssten Sie solches Zeug dann aber nicht massenhaft finden?«, fragte der junge Mann weiter. »Dass die Römer hier waren, ist ja allgemein bekannt.«
»Wieder richtig«, meinte Lorenz. Dann wurde er von dem alten Naas unterbrochen, der plötzlich zu singen begann: »Als die Römer frech geworden – simserim simsim simsim!«
Gustav fiel spontan ein: »Zogen sie nach Deutschlands Norden, simserim simsim simsim!«
Nun war auch Lorenz nicht mehr zu halten und sang: »Vorne mit Trompetenschall, Terätätätäterä! – ritt der Generalfeldmarschall, Terätätätäterä!«
Rolf Naas brach in Gelächter aus, dem die Alten sich gerne anschlossen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, meinte Lorenz: »Jedenfalls werde ich den Fund melden. Vielleicht reicht das ja, um endlich eine richtige wissenschaftliche Grabung zur Ambiorix-Schlacht anzustoßen.«
»Joo – Moment«, meinte Wilhelm Naas. »«Wat witt dann us mengem Stall? He witt nix Wissenschaftliches jemaat!«
Sein Sohn erklärte: »Was mein Vater meint, ist, dass er hier eine Großstallung für Milchvieh errichten will. Wenn hier eine richtige archäologische Grabung durchgeführt wird, bedeutet das doch wohl einen Baustopp?«
»Nicht unbedingt«, meinte Lorenz. »Die Grabung kann auch zwanzig oder fünfzig Meter neben dieser Stelle erfolgen, da es ja um den Nachweis eines großflächigen Schlachtfeldes geht und nicht etwa um ein lokal begrenztes Gebäude oder ähnliches. Da würde ich mir erst mal keine Sorgen machen.«
»Ich darf der Stall he baue!«, bekräftigte Wilhelm Naas.
»Papa, daran zweifelt doch auch gar keiner«, versetzte sein Sohn. Und zu Lorenz und Gustav gewandt fügte er hinzu: »Wissen Sie, hier ist die intensive Milchwirtschaft nicht von allen gern gesehen. Ein Stall mit fünfhundert Kühen ist für Blens eher ungewöhnlich.«
»Eine solche monströse Milchbatterie hat ja auch mit traditioneller Landwirtschaft nichts mehr zu tun«, kommentierte Gustav, der sich dafür einen bösen Blick des alten Naas einhandelte.
»Wie dem auch sei«, sagte Lorenz, der sich in diesem Moment nicht im Mindesten für die Milchproduktion in der Massentierhaltung interessieren mochte. »Ich werde den Fund dem Römisch-Germanischen Museum in Köln melden, die werden dann schon wissen, was zu tun ist.«
Er hielt seinen Fund in die Höhe und betrachtete den Fetzen rostigen Metallgewebes mit einem grimmigen Lächeln, als habe er es persönlich einem römischen Soldaten vom Leib gerissen.
9. Kapitel
Lorenz hatte seine verschwitzte und mit Erde verschmierte Kleidung in den Wäschesack gesteckt und lange geduscht. Als er sich nun frische Sachen anzog, drang ihm sofort wieder der Schweiß aus allen Poren. Er ärgerte
Weitere Kostenlose Bücher