Nach alter Sitte
antwortete Bärbel. »Und sie scheint dich zu mögen. Habt ihr euch verabredet?«
»Irgendwie schon«, meinte Benny. »Sie wird noch länger hier zu tun haben, und ich denke, ich werde auch noch das eine oder andere Mal dabei sein, wenn ihr hier nach Asterix und Obelix sucht.«
»Ambiorix, du Kretin«, brummte Lorenz.
»Wie auch immer«, lachte Benny. »Es war eine sehr gute Idee, hierherzukommen. Mörder jagen, Asterixe ausbuddeln, Studentinnen klarmachen. Was für ein Sommer!«
17. Kapitel
Schweigend saß Lorenz neben Rita auf dem Beifahrersitz. Während Rita von Paul und dessen Tochter Jessica erzählte, um die er sich jetzt während des kurzfristig umgeplanten Urlaubs mehr kümmern wollte, grübelte Lorenz über einen Anruf, den er soeben erhalten hatte. Stephan wollte ihn unbedingt sprechen und wartete bereits in der Seniorenresidenz auf ihn. Rita hatte sich sofort angeboten, Lorenz dorthin zu fahren, während Gustav und Bärbel mit Benny im Transporter unterwegs zum Einkaufen nach Kall waren. Aus irgendeinem überraschenden Grunde wollte Gustav dort in einem großen Möbelhaus nach Einrichtungsmöglichkeiten für sein Appartement suchen. Lorenz ahnte den Hintergrund für den Sinneswandel des spartanischen Freundes, aber momentan beschäftigte ihn etwas anderes viel mehr. Sein Sohn hatte angedeutet, wieder eine Nachricht erhalten zu haben, ohne am Telefon mehr darüber zu verraten. Und da nun Rita dabei war, würde es wohl unvermeidlich sein, sie einzuweihen. Wenn der Alte es recht bedachte, war dies wohl ohnehin überfällig. Aber er hätte gerne den Zeitpunkt selbst gewählt. Nun suchte er nach Worten, um Rita von den Nachrichten und dem gefälschten Lochner-Gemälde zu berichten, fand jedoch keine. Dann fiel ihm siedend heiß ein, dass er auch Stephan noch nicht von den neuesten Erkenntnissen zu dem Bild unter dem Bild mit Gerdas Signatur berichtet hatte. Wie immer in solchen Situationen überlegte er, wie Kommissar Wollbrand dies umschreiben würde. Doch der gewiefte Ermittler blieb stumm und ließ Lorenz mit seinem Problem allein. Vermutlich wollte er sich nicht in Familienangelegenheiten einmischen. Leise murmelte Lorenz: »Kommissar Wollbrand konnte manchmal auch ein ganz schöner Feigling sein.«
»Was meinst du?«, fragte Rita, die gerade auf den Parkplatz vor dem Zülpicher Tor in Nideggen einfuhr.
»Nichts, mein Schatz«, antwortete Lorenz. »Ich hab offenbar nur lauter gedacht, als ich wollte.«
Die Seniorenresidenz Burgblick war nur wenige Gehminuten vom Parkplatz entfernt. Stephan erwartete sie bereits am Eingang.
»Hallo Papa«, sagte Rita und umarmte ihren Vater. Der küsste sie und reichte dann Lorenz die Hand. »Hallo Papa«, sagte auch er.
Lorenz drückte Stephan fest die Hand und nickte. Dann ging er schweigend voraus zu seinem Zimmer. Hinter ihm unterhielten Rita und Stephan sich über alltägliche Belanglosigkeiten. Smalltalk zwischen Vater und Tochter. Bevor er die Tür öffnete, sagte er: »Ach, eins noch vorab: Wundere dich nicht, Rita, wenn du hier jetzt ein seltsames Bild siehst. Ich habe dir dazu einiges zu erklären.«
Dann gab er sich einen Ruck und trat ein. Er brauchte sich nicht umzudrehen und den beiden ins Gesicht zu sehen – er spürte die Spannung im Nacken, suchte fieberhaft, aber vergebens nach geeigneten Worten, die jetzt noch weniger gefunden werden wollten als eben, wo er noch etwas Zeit gehabt hatte.
Rita trat an ihm vorbei und auf die Staffelei zu, wo das auffällige Gemälde stand. »Das ist es wohl«, sagte sie und erstarrte dann. »Das bist ja du!« Noch bevor Lorenz etwas sagen konnte, fragte sie: »Wer hat das gemalt?« Der Alte holte tief Luft und nahm sich vor, mit diesem Atemzug eine Antwort zu geben, wie passend sie auch immer ausfallen mochte. Doch er kam nicht dazu, denn auch Stephan war an das Bild herangetreten und sagte: »Oh mein Gott. Du hattest recht!«
Lorenz ahnte, dass es nicht die Abbildung seines Konterfeis war, die seinen Sohn so aus der Fassung brachte, dass ihm schwindlig wurde und er sich auf den nächstgelegenen Stuhl fallen ließ. »Du erkennst sie auch, nicht wahr?«, fragte Lorenz leise.
Rita sah von einem zum anderen. »Könnt ihr mir bitte sagen, was da gerade an mir vorbeiläuft?«
Stephan nickte matt. »Auf diesem Bild siehst du deinen Opa knien, das hast du bemerkt. Wen du nicht kennen kannst, ist diese Frau.«
»Tante Gerda?«
Lorenz schluckte. Trotz seiner Befangenheit spürte er, wie stolz ihn der Scharfsinn
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