Nach alter Sitte
recht nicht bei einem Pilum, das doch etwas anders aussieht, als man sich heute gemeinhin eine Speerspitze vorstellt. Sie wissen das, Herr Bertold. Hier bei dem Schwert sieht es noch mal ein wenig anders aus. Die Klinge des Gladius ist natürlich nicht mehr erhalten nach zweitausend Jahren in der feuchten Erde, aber der massive Knauf ist gut zu identifizieren – vermutlich die Waffe eines Offiziers.«
»Das könnte aber auch einem Eburonen gehört haben«, meinte Lorenz. »Diese waren ja eigentlich so etwas wie Verbündete Roms, und nicht wenige haben unter römischem Feldzeichen gedient, ähnlich wie später Arminius.«
»Völlig richtig«, bestätigte der Professor. »Ich sehe, Sie sind mit Leib und Seele dabei. Ich bin froh, dieses Projekt hier übernommen zu haben. Wie Sie vermutlich mitbekommen haben, hat sich niemand darum gerissen. Man muss schon ein spezielles Interesse haben. Und mehr als ein paar unentgeltlich arbeitende Studenten aus dem Grundstudium habe ich nicht zur Verfügung.«
Gräbeldinger wies mit einem schiefen Grinsen auf seine Truppe. »Sie entschuldigen mich, ich muss zusehen, dass hier etwas geleistet wird«, sagte er dann und ließ Lorenz und die anderen stehen. Er steuerte auf Bennys Eroberung zu und sprach mit Vera Distel, worauf Benny sich artig zurückzog.
Auf dem Weg durch die Baugrube hob Benny etwas auf. Als er bei den Freunden ankam, meinte er: »Nee, diese Archäologie wär ja nix für mich. Wenn ich wen saubermachen muss, kommt er in die Wanne oder unter die Dusche und wird geschrubbt. Und hier nimmt man sich einen Pinsel und streichelt Krümel für Krümel ab, und am Ende bleibt doch nur ein uraltes Stück Irgendwas übrig.«
»Aber du scheinst dich doch sehr gut unterhalten zu haben«, grinste Gustav. Benny gab das Grinsen zurück. »Lag aber nicht am Thema. Mit diesem heißen Feger würde ich mich sogar über die französische Rentenpolitik unterhalten.«
»Es sei dir gegönnt«, meinte Bärbel. »Das Mädel ist wirklich sehr hübsch.«
»Und inspirierend«, fügte Benny schwärmerisch hinzu. »Vera hat mich auf eine neue Story gebracht, die ich gerne schreiben würde.«
»Du schreibst?«, fragte Alexander Grosjean interessiert.
Lorenz antwortete anstelle des jungen Pflegers: »Er erzählt uns immer von neuen Ideen, aber der Junge hat einfach nicht das Sitzfleisch, sie aufzuschreiben. Was vielleicht auch gut so ist.«
»Papperlapapp«, versetzte Benny. »Nee, ich schreibe demnächst wirklich mal. Vielleicht fange ich mit dieser Story an. Stellt euch vor, ein Archäologe leitet die Grabungen an einem dreitausend Jahre alten Tempel, wo damals so ’ne Sekte den Weltuntergang auf heute datiert und schon mal vorgefeiert hat. Bei der Arbeit verliert er einen persönlichen Gegenstand, so wie zum Beispiel diese Brille.« Er zeigte vor, was er eben auf seinem Weg durch die Baugrube gefunden hatte.
»He, das ist doch meine Brille!«, rief Lorenz aus.
»Dachte ich’s mir doch«, grinste Benny, gab Lorenz dessen Sehhilfe zurück und fuhr fort. »Also, unser Archäologe ist genauso ein Schussel wie Opa Bertold und verliert, na ja, sagen wir eben seine Brille. Bei der Grabung, wo es ja darum geht, das Rätsel des Weltunterganges zu lösen, findet er seine Brille wieder, aber mittlerweile dreitausend Jahre alt. Und dann kommt einer seiner Studenten und gibt ihm seine Brille wieder, die er gerade auf dem Gelände gefunden hat, so wie ich jetzt deine. Aber nagelneu, so wie er sie am Tag vorher erst verloren hat. Da bekommt der Professor es mit der Angst zu tun, er denkt – huh, das ist spooky, die Brille darf es nicht zweimal geben, das ist so ein physikalisches Unding, was die Welt nicht verträgt, so ’n Paradoxon, was ’nen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum verursacht und so weiter. Da versucht er krampfhaft, seine Brille flott wieder zu verlieren, damit alles seine Richtigkeit hat, das gelingt ihm aber nicht und: Big Bang! Die Welt geht unter wegen seiner blöden Brille. Er hat also selbst die Prophezeiung erfüllt, obwohl er sie doch nur erforschen wollte. Ist das nicht coolio?«
»Könnte man den Weltuntergangskram nicht weglassen, und stattdessen wird der Professor ermordet?«, fragte Lorenz. »Und der Täter ist ein einheimischer Grabungshelfer, der sich in die hübsche Assistentin des Professors verliebt hat.«
Benny lachte. »Klar, und Kommissar Wollbrand überführt den Mörder und adoptiert die Studentin. Nee, das Kriminelle ist dein Ding, so was schreib ich
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