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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Breuer
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seiner Enkeltochter machte. »Ja, mein Engel«, sagte er. »Diese Heiligenfigur trägt die Züge meiner Tochter Gerda, die vor rund fünfundzwanzig Jahren verschwand. Du kennst die Akte.«
    »Aber diese Frau ist viel älter als Gerda war, als sie ...«
    »Um Gottes willen«, stieß Stephan hervor. »Papa, du hast mir nicht gesagt, wie Gerda dargestellt ist. Als würde sie heute noch leben!«
    »Wie, du wusstest bereits von dem Bild?«, fragte Rita. »Seid ihr denn beide bescheuert, mich nicht sofort zu informieren? Jetzt will ich alles wissen, jedes Detail, lückenlos!« Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.
    Lorenz begann zu erzählen, was er über das Bild wusste, von den Emails, von Ambiorix, er erzählte auch von Gerdas Begeisterung für das Thema und ganz am Schluss auch von dem übermalten Bild unter dem Gemälde, welches Gerdas Signatur trug und vielleicht tatsächlich von ihr stammte. Als er seine Ausführungen schloss, sagte niemand etwas. Stephan weinte, und Rita nahm ihren Vater in den Arm. Lorenz betrachtete die beiden traurig. Er wünschte sich, er könnte seinem Sohn auch auf eine solche Weise nah sein, und war froh, dass Rita da war. Irgendwann sprach Rita ihn an, und Lorenz merkte ihrer Stimme an, wie wütend sie war: »Ich will gar nicht wissen, aus was für bescheuerten Gründen ihr mich nicht sofort eingeweiht habt. Die Nachrichten und das Bild müssen kriminaltechnisch untersucht werden, was vermutlich schon nicht mehr so wahnsinnig viel bringt. Und ich kümmere mich um die Herkunft dieser Email-Adresse. Bei GMX wird natürlich eine Fantasieadresse hinterlegt sein, aber über die IP-Adressen der Log-ins werden wir zumindest ein paar Anhaltspunkte gewinnen. Und was die Darstellung von Gerda angeht – da dürfte Bärbel doch wohl genügend Expertise mitbringen, um zu entscheiden, ob ein guter Maler, der Gerda früher kannte, ihr Gesicht in das heutige Alter transponieren könnte. Und dann werden wir Gerdas Fall wieder aufrollen, die Vernehmungsprotokolle screenen, alle damaligen Kontakte checken, insbesondere diejenigen, die über entsprechende künstlerische Fähigkeiten verfügen, und so weiter. Menschenskinder, ihr habt doch keine Ahnung, was für mich ermittlungstechnisch alles möglich ist. Ich könnte euch ohrfeigen, und ich werde es tun, wenn ihr mir nicht ab sofort alle weiteren Erkenntnisse umgehend mitteilt. Ist das klar, Papa und Opa?«
    Stephan nickte stumm, und Lorenz antwortete: »Ganz klar, mein Engel. Du hast recht, ich habe einen großen Fehler gemacht, dich nicht sofort in alles einzuweihen. Aber da war dein Urlaub, und ich wollte erst einmal selber schauen, in welche Richtung das geht.«
    »Auf jeden Fall in eine Richtung, die du nicht im Griff hast, Opa!«, schalt Rita weiter. »Ich weiß, wie clever du bist, aber alles hat Grenzen. Und die sind hier sicher längst überschritten.«
    »Ich weiß«, sagte Lorenz kleinlaut. Doch Rita war noch nicht fertig mit ihm. »Da bin ich mir aber nicht so sicher. Wir haben es hier mit einem Mörder zu tun, der extrem brutal zur Sache geht, der vielleicht sogar Mehrfach- oder Serientäter ist. Wir haben Teile von Wilhelm Naas' Gehirn und Schädelknochensplitter auf einer Fläche von mehreren Quadratmetern gefunden, das meiste mit einem Vorschlaghammer in die Erde gestampft. Wer immer das getan hat, er hat eine Menge Wut und Hass aufgestaut.«

18. Kapitel
    Lorenz hatte bereits seine dritte Tasse Kaffee getrunken, als Bärbel den Frühstücksraum betrat und sich zu ihm setzte. »Guten Morgen«, sagte sie lächelnd wie immer. »Habe dich gestern Abend nicht mehr gesehen, vermutlich hatte die Familie Bertold sich einiges zu erzählen?«
    »Vor allem hat meine Enkeltochter mir den Hosenboden stramm gezogen«, antwortete Lorenz. »Ich habe ihr alles erzählt, und sie war ziemlich böse auf mich.«
    »Das habe ich dir doch vorher gesagt – du hättest gleich offen mit ihr reden sollen. Diese Sache gehört in professionelle Hände.«
    Lorenz brummte etwas vor sich hin, was sich wie ein Einspruch von Kommissar Wollbrand anhörte, dann sagte er: »Lass uns nun erst einmal etwas essen. Ich hatte eine schlechte Nacht, irgendwie schlafe ich so gut wie gar nicht mehr richtig. Ich sitze schon seit einer Stunde hier und trinke Kaffee.«
    »Dann iss erst mal etwas Vernünftiges«, mahnte Bärbel. »Ein gutes Müsli und frisches Obst. Das macht munter.«
    Lorenz hatte schon mit Croissant, Speck und Ei geliebäugelt, musste aber zugeben, dass Bärbels

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