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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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Sinn haben, wenn du dein Handy ausgeschaltet hast. Schließlich brauchst du deinen Schlaf.«
    Â»Mama, was wollte sie?«
    Â»Ach so, ja … Also, sie hat irgendwas von einer tollen Idee gesagt.«
    Â»Und? Was für eine Idee?«
    Â»Das wollte sie am Telefon nicht verraten.«
    Â»Habt ihr noch über etwas anderes gesprochen?«
    Â»Nein, wieso?«
    Â»Ich dachte, du lässt dir bestimmt die Chance nicht entgehen, sie auszufragen.«
    Â»Aber, Schatz, das wäre doch ziemlich peinlich gewesen. Und nicht gerade die feine Art.«
    Ich nehme mir noch eine Scheibe Brot aus dem Korb und zwei Scheiben Gouda vom Käseteller. Sie beginnt damit, weitere potenzielle Brotbeläge aus dem Kühlschrank zu nehmen und vor mir auf den Tisch zu stellen. Wahrscheinlich denkt sie, wenn ich schon mal richtig esse, muss man es ausnutzen. Papa isst morgens nur Müsli. Und für sich selbst hat sie den Paprikaquark und die Marmelade bestimmt nicht hergeräumt; sie bevorzugt feste Brotbeläge, Schnittkäse oder Scheibenwurst, aber nichts zum Streichen.
    Â»Maike, mir ist diese Kim suspekt.«
    Â»Hör auf, immer diese Kim zu sagen! Du kennst sie doch überhaupt nicht!«
    Â»Genau. Und deshalb habe ich sie auch gefragt, ob sie nicht mal zu Besuch kommen möchte.«
    Â»Was hast du?«
    Â»Sie sagte, sie würde sich freuen und alles Weitere mit dir besprechen.«
    Â»Da kann ich wohl froh sein, dass du nicht auch schon Datum und Uhrzeit mit ihr ausgemacht hast!«
    Â»Sei nicht so schnippisch. Früher hattest du kein Problem damit, deine Bekannten mit nach Hause zu bringen. Da muss doch irgendwas faul sein an dieser … an dem Mädchen.«
    Ich werfe mein angebissenes Brot auf den Teller und stehe auf. Dabei schubse ich den Stuhl absichtlich so stark nach hinten, dass er gegen die Wand knallt.
    Â»Maike!«
    Â»Du bist nicht anders als die Leute, die versuchen, uns fertigzumachen! Du bist voller Vorurteile! Bloß weil ich dir nicht alles bis ins kleinste Detail erzähle, reimst du dir irgendeinen Mist zusammen und stellst dir das Schlechteste vor!«
    Â»Ich meine das doch nicht böse. Es macht mich stutzig und das ist ja wohl nachvollziehbar!«
    Wieso heult sie jetzt nicht? Das tut sie neuerdings in solchen Situationen doch mit Vorliebe. Eine kleine Meinungsverschiedenheit, und sie weint. Vielleicht hat sie das Weinen zusammen mit der Pflege ihres Erscheinungsbildes aufgegeben. Braucht man alles nicht mehr. Nichts davon.
    Â»Lass mich in Ruhe«, sage ich.
    Ich will, dass sie weint.
    Â»Eltern müssen auf so etwas achten«, sagt sie. »Wenn Kinder ihr Verhalten in dieser Weise verändern, dann steckt meist etwas Ernstes dahinter.«
    Â»Kümmere dich lieber um dich selbst! Wie du in letzter Zeit rumläufst, das ist das Allerletzte. Wie eine Pennerin!«
    Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Endlich. Aber in mir will sich kein Gefühl der Befriedigung einstellen. Ihre Lippen zittern, gleich wird die erste Träne über ihre rechte Wange rollen. Ich laufe wortlos aus der Küche und remple dabei Papa an, der gerade um die Ecke biegt.
    Â»Was ist denn mit euch los?«, fragt er.
    Aber ich bin schon in meinem Zimmer. Soll Mama ihm ihre Version der Geschichte erzählen. Ich schnappe mir meinen Rucksack und eine halbe Minute später habe ich die Wohnung verlassen. Dann gehe ich heute eben etwas früher in die Schule.
    Während Jannik langsam auf mich zukommt, weiß ich bereits, dass etwas nicht stimmt. Seine Stirn liegt in Falten. Es ist zehn vor acht, unsere Klassenzimmer sind noch halbleer. Ich stehe schon seit ein paar Minuten vor meinem Saal und warte auf Jannik, der normalerweise morgens etwas früher da ist als ich. Hin und wieder sind in diesen Minuten einzelne ankommende Schüler oder Schülergrüppchen an mir vorbeigelaufen, darunter etliche Morgenmuffel, die schlurfend oder gähnend ihrer Müdigkeit Ausdruck verliehen haben. Es ist ruhiger als am späteren Vormittag. Vor der ersten Stunde herrscht immer so eine seltsame Stimmung.
    Jannik begrüßt mich nicht. Als ich ihn umarmen will, lässt er es nicht zu, stößt mich sogar ziemlich unsanft weg.
    Â»Lass das«, sagt er.
    Â»Was ist denn los?«
    Â»Sandra hat mir erzählt, dass sie dich wieder mit diesem Ben gesehen hat.«
    Â»Wovon redest du?«
    Â»Stell dich nicht blöd, Maike! So was denkt die sich doch nicht aus. Sie

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