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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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heraus, schicke ein Lächeln in Janniks Richtung und laufe zum anderen Becken hinüber. Dort hat man überall Boden unter den Füßen, zu jeder Zeit. Jannik ist mir gefolgt. Wir sausen ein paar Mal die ziemlich unspektakuläre Rutsche hinunter und ekeln uns, als wir ein Kind bemerken, das mit glasigem Blick im Wasser steht, als würde es gerade reinpinkeln.
    Â»Ich bin froh, dass Marc und Romy nicht mitkommen wollten«, sagt Jannik, als wir wieder auf der Wiese liegen.
    Â»Ich auch«, erwidere ich und denke an Romys traurigen Blick auf dem Flur, nach meinem letzten Gespräch mit Sandra.
    Wie lange wird es dauern, bis Romy nicht mehr traurig über unseren Kontaktabbruch sein wird? Es heißt, man brauche nach dem Ende einer Liebesbeziehung die Hälfte der Zeit, die diese Beziehung gedauert hat, um über die Trennung hinwegzukommen. Wie verhält sich das bei einer Freundschaft?
    Jannik setzt sich auf. Er hat Druckstellen von der Strandmatte am Rücken. Kleine Dellen, etwas gerötet, die ein unregelmäßiges Muster von links nach rechts ziehen. Ich berühre sie vorsichtig. Es fühlt sich an wie das Schuppenrelief auf dem Körper eines Reptils. Eine sichtbare fremde Haut, im Gegensatz zu meiner unsichtbaren. Er trocknet sich ab und streift sein T-Shirt über.
    Â»Ist dir nicht kalt?«, fragt er.
    Ich betrachte meinen Körper, auf dem sich an vielen Stellen eine Gänsehaut gebildet hat. Es sind noch Wassertropfen darauf, die im Wind zittern. Der nasse Bikini kühlt mich zusätzlich aus, doch mir ist nicht kalt, diese fremde Haut leitet kein noch so kleines Frösteln an mich weiter. Trotzdem ziehe ich mein T-Shirt an. Jannik würde sich sonst wundern.
    Â»Weißt du, was wir lange nicht mehr gemacht haben?«, sage ich. »Wir waren schon ewig nicht mehr auf der Kartbahn.«
    Â»Ist dir das nicht zu viel, im Moment?«
    Â»Nein, wieso? Da kann man gut Stress abbauen.«
    Wir liegen nebeneinander und ich kuschle mich an ihn. In seinen Armen ist es warm, und ich beobachte, wie meine Gänsehaut langsam verschwindet.
    Â»Ich liebe dich«, sagt Jannik.
    Das hat er lange nicht mehr gesagt. Auf diesen Satz habe ich gewartet, auf ihn habe ich gehofft. Doch nun, wo er ausgesprochen wurde, kommt er nicht bei mir an. Ich höre, wie Jannik die Worte spricht, aber er sagt sie nicht zu mir, er sagt sie zu einer anderen Maike, so wie Kim eine wiederum andere Maike gefragt hat, ob sie ihre beste Freundin sein will. Es gibt viel zu viele Varianten von mir, nur die echte, die kann einfach kein Mensch lieben.
    Doch Kim weiß nicht, dass ich in Wirklichkeit eine andere bin. Und Jannik wird auch nicht erfahren, dass er einer Täuschung unterliegt. Solange er irgendeine Variante von mir lieben kann, egal welche, ist alles in Ordnung.
    Jannik hält mich fest im Arm. Seine Hände rutschen unter mein T-Shirt und streicheln meinen Rücken. Mehr versucht er nicht, er weiß, dass es noch zu früh dafür ist, erst recht hier in der Öffentlichkeit. Aber ich spüre, dass er wieder an dem Punkt ist, wo er daran glauben kann, dass ich nur noch ein kleines bisschen Zeit brauche, bis alles wieder gut ist. Auf meinem Rücken wölbt sich das Fremde zwischen meiner Haut und seinen Händen. Es macht kratzige Geräusche, die ich zu übertönen versuche, indem ich Jannik Worte ins Ohr flüstere, die er lange nicht mehr von mir gehört hat.

26
    Â»Seit wann frühstückst du denn wieder vor der Schule?«
    Erstaunlich, dass sie es überhaupt bemerkt hat. Ich habe endlich mal wieder etwas mehr Appetit, aber ich hatte nicht erwartet, dass es irgendjemandem hier auffallen würde.
    Â»Ich habe heute eben Hunger.«
    Â»Achim, sie frühstückt!«, ruft Mama durch die Wohnung, als handele es sich um das achte Weltwunder.
    Â»Aha«, brummt es aus dem Badezimmer.
    Â»Diese Kim hat gestern Abend angerufen. Da warst du schon im Bett.«
    Ich zucke zusammen. Woher hat Kim unsere Festnetznummer? Die habe ich ihr nie gegeben, weil ich vermeiden wollte, dass sie Kontakt zu meinen Eltern bekommt und möglicherweise etwas erfährt, was sie nicht erfahren soll.
    Â»Was wollte sie denn?«, frage ich und versuche, möglichst harmlos zu klingen, als könne eine falsche Tonlage oder Lautstärke mich verraten.
    Â»Ich finde es unmöglich, so spät abends noch die Leute zu belästigen. Ich habe ihr gesagt, es wird schon seinen

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