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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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zu ändern, was ihn stört.«
    Â»In hundertsechzig Zeichen?«
    Â»Dann werden es eben zwei SMS.«
    Â»Das reißt es auch nicht raus.«
    Ich fange trotzdem an zu tippen. Kim beugt sich über das Display.
    Â»Was schreibst du?«
    Â»Sei still, ich kann sonst nicht nachdenken. Und rück mir nicht so auf die Pelle.«
    Â»Du, das hört sich gut an. Und jetzt schreib noch, dass du aus der Sache gelernt hast, und bitte ihn um eine zweite Chance. Er hätte doch bestimmt auch schon Fehler gemacht und so weiter. Darüber kriegst du ihn bestimmt. Jeder hat eine zweite Chance verdient. Immerhin hast du ihn vorher noch nie angeschwindelt. Hast du doch nicht, oder?«
    Â»Möchtest lieber du ihm schreiben?«, stöhne ich und halte ihr das Handy hin. Sie greift danach.
    Â»Das war ein Witz!«, stelle ich klar.
    Â»Weiß ich doch!«, kichert sie. »Aber du hättest eben mal dein Gesicht sehen sollen.«
    Â»Mir ist echt nicht zum Lachen zumute.«
    Ich lese die SMS noch mal durch und lösche die Hälfte wieder. Kim stößt genervt einen Schwall Luft aus, es klingt wie das Schnauben eines Pferdes. Sie legt den Kopf in den Nacken und lässt sich immer weiter nach hinten sinken, bis sie auf dem Rücken liegt. Der untere Teil ihres Rückens befindet sich noch auf dem Baumstumpf, während der obere Rücken und der Kopf sich dem Boden nähern, bis der Kopf fast die Erde berührt.
    Â»Ich kann das nicht mit ansehen«, sagt sie.
    Es hört sich gepresst an. In dieser Haltung kann sie kaum reden.
    Â»Ich hab’s jetzt«, sage ich.
    Die SMS ist abgeschickt. Ich kann sie nicht mehr zurückholen. Ich öffne den Ordner mit den gesendeten Nachrichten und lese die SMS ein weiteres Mal. Habe ich die richtigen Worte benutzt?
    Kim richtet sich wieder auf.
    Â»Das wird schon«, sagt sie.
    Jannik ist noch wach, seine Antwort kommt bereits nach zwei Minuten.
    Lass mich in Ruhe. Ich brauche jetzt einfach Abstand. J.
    Kurz darauf eine zweite SMS. Von Sandra.
    Bist du schwer von Begriff? Er will dich nicht mehr. Er braucht jetzt jemanden, der wirklich für ihn da ist. Und rate mal, wer das ist …
    Â»Sandra ist bei ihm!«, sage ich mit erstickter Stimme und merke, wie mir Tränen in die Augen steigen.
    Kim greift nach dem Glas mit den Glühwürmchen und öffnet den Deckel. Eine Weile hält sie es in den Händen, starrt darauf und seufzt schließlich.
    Â»Ich glaube, die merken gar nicht, dass sie wieder frei sind«, sagt sie.
    Ich stütze die Ellenbogen auf die Knie, presse das Gesicht in die Hände und weine. Es ist ganz still. Mein Weinen ist still und auch Kim sagt nichts mehr. Einen Moment lang kommt es mir so vor, als wäre sie überhaupt nicht mehr da. Dann liegt plötzlich ihr Arm auf meinen Schultern und es riecht wieder nach Himbeeren. Ein Duft, der so berauschend und zugleich so tröstlich ist, dass beinahe nichts mehr wehtut.

28
    Â»Was hat sie denn?«, höre ich Ramona flüstern.
    Kim hat mich mit zu sich nach Hause genommen. Ramona und Stefan haben zunächst keine Fragen gestellt, weil sie gesehen haben, wie schlecht es mir geht. Sie haben mir das Gästebett fertig gemacht und mich hineingesteckt. Kim hat bei mir am Bett gesessen, bis sie dachte, dass ich eingeschlafen sei. Aber ich schlafe nicht. Ich lausche den Stimmen vor der Tür, die Kim einen Spalt offen gelassen hat. Ein Lichtstrahl von der Lampe im Flur fällt zu mir ins Zimmer hinein, gelb und warm.
    Â»Ihr Freund hat Schluss gemacht«, flüstert Kim zurück.
    Â»Das arme Ding«, sagt Ramona.
    Â»Ich habe ihre Eltern angerufen«, teilt Kim ihrer Mutter mit. »Ich konnte sie kaum davon abhalten herzukommen. Aber ich habe ihnen klargemacht, dass es das Beste für Maike ist, wenn sie sich ausschläft und morgen früh von hier aus zur Schule geht. Das war doch richtig, oder?«
    Â»Ja, Schatz, natürlich. Du weißt, wir haben Maike immer gerne hier, auch in einer solchen Situation. Sie scheint sich daheim nicht so wohl zu fühlen, oder?«
    Â»Nicht wirklich. Ich weiß aber nicht, ob das okay ist, dass ich mit dir darüber rede.«
    Â»Das musst du auch nicht. Aber jemand sollte ihr hel-fen. Ich glaube, sie steckt in einer Depression. Den Eindruck habe ich nicht erst seit heute. Merkst du es nicht auch?«
    Â»Mum!«
    Â»Aber so ist es doch!«
    Â»Eigentlich ist sie ein total lustiger,

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