Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
nicht. Das müsst ihr wissen, ich wollt nur sag’n«, Pause, »dass vielleicht«, Pause, »da was«, Pause, »was zu melden wär.«
»Ja, was denn, ich höre.«
»Jetzt schrein S’ net so, Frau Kollegin.«
Anna Habel ballte ihre rechte Faust, reckte sie in die Luft und schüttelte den Kopf. »Ja, so sagen Sie doch endlich, was Sie mitzuteilen haben.«
»Ja, also mitzuteilen hab ich net viel.«
»Dann sagen Sie das Wenige, wir sind hier im Stress.«
»Ja, geh, im Stress.« Pause. »Wenn’s der Steiner is’, den ihr meint –«
»Ja, dieser Industrielle, dieser Finanztyp…«
»…der auch mit der Frau Schauspielerin, die jetzt in Berlin…«
»Ja, genau die. Vielmehr: genau der. Was ist mit dem?«
»Ja, also, wenn’s der ist, der hat hier eine Hütt’n, oben, auf der Alm.« Lange Pause, Anna biss sich vor Ungeduld in den Finger. »Da ist einer heut die Straß’n hochg’fahrn, ich hab’s gesehn, bin aber nicht sicher, ob er’s war… Da könnt ich…, soll ich eventuell…?«
»Nein, Sie warten. Wir kommen.«
Das gefiel Bernhardt. In den entscheidenden Momenten musste man kurz entschlossen reagieren, die Chance am Schopf packen, wie es jetzt die vor Energie sprühende Frau Chefinspektorin getan hatte. In Wien und Berlin ging alles seinen geordneten Gang, auch ohne Habel und Bernhardt. Aber ein überraschender, überfallartiger Zugriff in den Bergen, das kam Bernhardts Hang zum Vabanquespiel entgegen. Und auch wenn die Fahrt drei Stunden dauern sollte, wie Anna Habel zu bedenken gab – gewagt werden musste die Aktion dennoch. Bernhardt glaubte an die Wichtigkeit instinktiven Handelns. Wenn sie falschlagen, würden sich allerdings die Kollegen schieflachen.
Der Revierinspektor Hoffer Ernst war ein gemütlicher Mensch. Schön warm war’s in seiner Dienststube am Marktplatz von Bad Goisern. Anna Habel und Thomas Bernhardt hatten ihn gestört beim Verzehr einer Leberkäs-Semmel. Aber das machte nichts. Hoffer Ernst nahm noch einen großen Bissen und leerte dann mit einem langen Schluck das Glas, in dem sich eine rote Flüssigkeit befand. Schwarzer Johannisbeersaft war’s sicher nicht. Er unterdrückte höflich einen Rülpser und schüttelte seinen wuchtigen Schädel, was sein Doppelkinn in heftige Bewegung versetzte.
Er sei allein, der Bulle von einem Bauern in Steeg sei entlaufen, und da seien seine beiden Kollegen, jünger als er, fitter als er (und, sagte sich Bernhardt, im Dienstrang wahrscheinlich niedriger als er, was der Herr Revierinspektor aber nicht erwähnte), stark gefordert. Er halte sozusagen die Stallwache. Ja, und was den Steiner angehe, da könne er nicht viel sagen, bedeutender Mann, aber ganz nett, wenn’s ein Fest in der Gemeinde gebe, spende er immer was. Seine Hütte oben sei ein alter Heustadel aus Holz, aber den habe er sich mit viel Geld ausbauen lassen, mitsamt einer »Badelandschaft« – das Wort klang aus Hoffer Ernsts Mund ähnlich wie »Marslandschaft«.
Zu dem und seiner Hütte rauf? Das ginge schon. Aber sie müssten halt zu Fuß da hoch. Das Polizei-Schneemobil sei kaputt, und er wüsste jetzt nicht, wo er so schnell… Auto? Naa, da sei der Weg viel zu schmal. Er würde ihnen halt raten, im Hotel Post zu übernachten und morgen früh in aller Ruhe hochzufahren, da hätten sie das Schneemobil sicher wieder fit. Obwohl, so genau wüsste man’s halt auch nicht. Private Schneemobile, nein, es gäb eigentlich nur das polizeiliche Gefährt.
Na gut, wenn sie unbedingt heute noch da hoch wollten, könnte er sie bis zum Parkplatz fahren, von da müssten sie noch eine halbe Stunde aufsteigen. Immer an den Stäben des Trampelpfades entlang. Nicht vom Pfad abweichen, denn links und rechts gäbe es schon ein paar steile Abhänge. Aber wenn sie ihn fragten – er schaute sie bedeutungsschwer an und demonstrierte seinen Heimvorteil –, es sei schon fast zu spät. Wenn sie sich beeilten, ginge es sich zwar zeitlich gerade noch aus, aber im Dunkeln würde es schwierig werden. Retten würde sie dann keiner aus der Schneewüste, die Leute von der Bergwacht würden für zwei Kieberer aus Wien nicht rausgehen. Er lachte, und Anna Habel fand, dass sein Lachen entschieden zu schmutzig klang.
»Kollege Revierinspektor Hoffer, es geht in diesem Fall um mehrfachen Mord. Sie werden uns also ordentliche Amtshilfe leisten. Ihr gemütliches Büro ist jetzt das Lagezentrum, klar? Sie vernetzen sich ab sofort mit den Kollegen in Wien und Berlin. Ich gebe Ihnen die entsprechenden
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