Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
drohen. Aber treten Sie doch ein. Nur geben Sie mir erst Ihre Waffe. Sonst hört meine Gastfreundschaft auf.«
Anna hatte vor dem auf sie gerichteten Gewehrlauf keine andere Wahl. Steiner nahm die Pistole an sich und komplimentierte die beiden in die Hütte, in der es angenehm warm war und nach altem Holz roch. In einem großen Kamin flackerte ein Feuer. Er drängte sie auf eine Sitzbank neben dem Kamin. Das Gewehr hatte er lässig wie ein Cowboy unter den Arm geklemmt.
»Ihr könnt mir gar nichts nachweisen. Und wenn ich mir hier in meiner Hütte eine kleine Auszeit nehme, bedeutet das kein Schuldeingeständnis. Ich brauche eine Pause, mein Anwalt wird meine Situation und mein Verhalten in juristisch einwandfreien Formeln erklären.«
»Da zweifle ich keine Sekunde dran. Er wird Sie als unschuldiges Lämmlein zeichnen. Das sind Sie aber nicht. Sie haben jede Menge Dreck am Stecken. Warum sind Sie just am Todestag von Sophie Lechner nach Berlin gefahren, und warum haben Sie bei meiner ersten Vernehmung gelogen und gesagt, Sie seien nicht in Berlin gewesen?«
»Allerliebste und verehrte Frau Chefinspektorin, Sie enttäuschen mich. Ich hatte keine Lust auf große Debatten und Verdächtigungen, deshalb habe ich die Berlin-Reise nicht erwähnt. Na und? Warum bin ich wohl nach Berlin gefahren? Geschäfte, was sonst? Wenn ich gewusst hätte, dass Sophie an diesem Tag ermordet wird, wäre ich naturgemäß in Wien geblieben. Man traut mir viel zu, und das auch zu Recht, wenn ich das mal so ungeschützt sagen darf, aber Hellseher bin ich nicht, leider.«
Bernhardt war zufrieden. Sie hatten Steiner in ein Gespräch verwickelt. Die beste Voraussetzung, um ihn von seinem hohen Ross langsam runterzuzerren.
»Sie sind nicht allein gefahren.«
»Was Sie nicht sagen. Tja, Nemeczek hat mich gefahren, der ist meine rechte Hand, der fährt mich auf langen Strecken immer. Ich muss sagen, auch von Ihnen, Bernhardt, bin ich enttäuscht. Und, um ehrlich zu sein, werde ich ein bisschen ungeduldig. Sie hier in meiner guten Stube zu sehen, gefällt mir gar nicht, ich fühle mich belästigt.«
Er schwenkte lässig sein Gewehr, richtete es einmal spielerisch auf Anna Habel, dann auf Thomas Bernhardt.
»Tja, was soll ich mit euch beiden machen? Sagen Sie’s mir, Bernhardt.«
»Sie sollen mit uns ins Tal zur Polizeistation kommen und die Missverständnisse aufklären, denen wir Ihrer Meinung nach aufgesessen sind.«
»Ich bitte Sie. Durch den Schnee ins Tal. Nein, das möchte ich nicht. Ich schicke Sie einfach zurück. Oder sollte ich doch…«
Er setzte den Lauf des Gewehres auf Anna Habels Wange. Anna versuchte ihren Kopf zurückzuziehen, aber Steiner verstärkte den Druck des Laufs. Sie schloss die Augen. Ihr heftiges Schlucken war zu hören, das angestrengte Ein- und Ausatmen.
»Nein, das ist nicht nett von mir. Eine Frau…«
Er zog das Gewehr mit einer blitzschnellen Bewegung weg und richtete es auf den Magen von Bernhardt.
»Einen unschuldigen Menschen zu verfolgen, einen Mann, der brav seine Steuern bezahlt, und nicht zu knapp, das finde ich einfach nicht schön. Da werde ich einfach ein bisschen cholerisch, entschuldigt bitte. Ihr schädigt mein Renommee, meine Geschäfte. Jetzt beruhige ich mich aber wieder, ihr geht jetzt brav runter ins Tal. Und ich schaue morgen im Lauf des Vormittags mal vorbei. Ist das recht so?«
Bernhardt hatte einen gallebitteren Geschmack im Mund. Eine große Wut wallte in ihm auf. Er sprang auf und zischte leise: »Steiner, du blödes Arschloch, nimm die Knarre weg. Du hast keine Chance.«
Steiner holte aus und schlug Bernhardt mit der flachen Hand ins Gesicht. Bernhardt stürzte zu Boden. Im Fallen riss er Steiner mit und warf sich auf ihn. Er hatte ihn. Aber Steiner gelang es, den Schaft des Gewehrs in der Hand zu behalten, den er nun, ohne zu zögern, unter Bernhardts Kinn rammte. Eine klaffende Wunde tat sich an Bernhardts Kinn auf, die stark zu bluten begann.
Steiners Gesicht war verzerrt. »Mich hält niemand auf, schon gar nicht zwei Versager wie ihr.«
Er war wieder auf den Beinen und richtete das Gewehr abwechselnd auf Bernhardt und Anna Habel. Langsam ging er rückwärts zu einem Tisch, wo er aus der Schublade Klebeband und Schnüre fingerte.
»So, ihr werdet jetzt schön gefesselt. Und ich mache mich auf den Weg nach Dubai, das ist meine neue Heimat. Ich studiere schon den Koran, und bald werde ich ein treuer Moslem sein. Da schaut ihr, was?«
Es war offensichtlich: Der drehte
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