Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
verlegen. »Ja, weil… hier saß ja auch immer noch der Fürst in seiner Arrestzelle, und da wussten wir nicht, was wir mit dem tun sollten, weil… man darf ja so lange niemanden festhalten, und da haben wir gedacht, wir rufen mal den Herrn Kolonja an, weil wir Sie ja nicht erreicht –«
»Ja, ja, ist ja gut! Ich freu mich ja, dass er hier ist. Aber was hat das mit meiner Nacht im Theater zu tun? Er wird mich ja nicht eingesperrt haben?«
»Was du immer für Ideen hast! Nein, aber ich habe mich – bestens eingeführt von den jungen Kollegen – intensiv mit Herrn Fürst beschäftigt. Und dabei habe ich herausgefunden, dass er für deine unbequeme Nacht verantwortlich ist.«
»Was? Wie soll das denn gehen?«
»Na ja, du warst ja am Mittwoch bei ihm, und da hat er mitbekommen, dass du am Abend noch einen Termin im Burgtheater hast. Und er hat sich so über dich geärgert, dass er dir einen Denkzettel verpassen wollte.«
»Er ist mir doch nicht nachgeschlichen?«
»Nein, er hat gestanden, dass er Monika Swoboda angestiftet hat, dich ein wenig zu erschrecken. Und da hat sie –«
»Da hat die mich die ganze Nacht da eingesperrt?«
»Nein, sie schwört, dass sie nach zwei Stunden wieder aufgeschlossen hat. Das hast du in deiner Panik wohl nicht mitbekommen.«
»Das gibt es nicht. Das darf doch nicht wahr sein! Wie blöd kann man eigentlich sein?«
»Wen genau meinst du jetzt?«
Anna zog die Augenbrauen hoch und schnaubte durch die Nase.
»Willst du sie anzeigen? Nötigung? Körperverletzung? Entführung? Behinderung der Ermittlungsarbeiten? Da geht schon was.«
»Weißt du was? Die kann mich mal.«
38
Kurze Zeit später waren Anna Habel und Thomas Bernhardt allein im Dienstzimmer, das vor sich hin miefte. Sie nahmen sich in den Arm. Anna schniefte. »Weißt du, wie spät es ist?«
»Es ist fünf Uhr früh in Wien, bei leichtem Schneefall, die Außentemperatur beträgt«, er ging ans Fenster und schaute auf das Thermometer, das draußen angebracht war, »minus 12 Grad, ich fühle einen Schnupfen kommen, ich bin heute Nacht um fünf Jahre gealtert…«
»Nein, komm, das wär schrecklich.«
»Das könnte aber rückgängig gemacht werden, durch ein heißes Bad in deiner Badewanne, durch eine sanfte Rückenmassage…«
»Nur eine Rückenmassage?«
»Ich bitt Sie, hochverehrte Frau Chefinspektorin, da geb ich Ihnen freie Hand, plein pouvoir. «
»Machbar wär’s. Der Florian ist noch beim Skilaufen mit seiner Freundin, und da dürfte sich seine Mutter ja auch mal was gönnen, oder?«
»Da stimme ich vollinhaltlich zu, Frau Chefinspektorin.«
Die Badewanne war zu klein für sie beide, aber fünf Minuten hielten sie’s zusammen aus. Als Anna sich leicht stöhnend erhob und aus der Wanne stieg, konnte sie sich eine Frage doch nicht verkneifen.
»Findest du mich dick?«
»Klar, die schärfste Dicke, die ich auf dieser Welt kenne.«
Anna Habel griff mit beiden Händen tief in die Wanne und schaufelte ihm Wasser ins Gesicht. Er zog sie zu sich, und sie platschte auf ihn. Sie lachten.
Foto: © Bastian Schweitzer / Diogenes Verlag
CLAUS-ULRICH BIELEFELD ist 1947 in Bad Schwalbach geboren. Er studierte Germanistik, Soziologie und Philosophie und ist heute Literaturredakteur beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sowie Literaturkritiker für diverse Zeitungen. Er lebt in Berlin.
Foto: © Ingo Pertramer
PETRA HARTLIEB wurde 1967 in München geboren und ist in Oberösterreich aufgewachsen. Sie studierte in Wien Psychologie und Geschichte und arbeitete danach als Pressefrau und Literaturkritikerin in Wien und Hamburg. Seit 2004 betreibt sie mit ihrem Mann eine Buchhandlung in Wien.
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