Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
Rätsel auf. Eins war klar, die war schwer traumatisiert, aber durch welche Erlebnisse? Dieses ganze Sadomaso-Zeug: echt oder nur Attitüde? Wen betrog sie, sich selbst, alle anderen, hatte sie ein tiefes Geheimnis, oder war, umgekehrt, bei ihr alles nur Oberfläche, aufgerauht und dann doch wieder zurechtpoliert? Wenn man sie betrachtete, entzog sie sich, das war Bernhardts Eindruck.
Sebastian Groß? Harmlos, eine mittlere Figur, nur durch die Lechner nach oben gekommen, würde wieder absacken. Charmanter Bursche, würde die Frauen noch zwei Jahrzehnte mindestens für sich einnehmen können, ob mit oder ohne Escort-Service. Zu vernachlässigen? Das nun nicht, er steckte in dieser Dreier-Connection, vielleicht als taube Nuss, vielleicht aber auch nicht.
Und die Agentinnen 007 ? Taffe Ladys, Gilda in Wien, offensichtlich die Macherin und Chef-Organisatorin, Gründerin des Ladens, war mal in Harvard gewesen, hatte auf allen Events getanzt. Die Blonde in Berlin war als TV -Schauspielerin ziemlich weit gekommen und hatte dann die Seiten gewechselt, die Schwarze in Berlin schrieb erfolgreich Drehbücher, und dann noch Felicitas, auch an vielen Fronten im Einsatz. Und nun war die Strippenzieherin tot. Laut Anna ermordet, aber wer weiß, vielleicht war das wieder einer ihrer vorschnellen Schlüsse? Angeblich lief der Laden nicht mehr so rund wie in den Jahren zuvor, in Capital wurde zwar einerseits das hohe Lob auf die Agentinnen gesungen, innovativ, immer vorne dran, andererseits war aber auch die Rede von finanziellen Engpässen, auf dem Markt tummelten sich zu viele konkurrierende Unternehmen, der Gang nach Hollywood war gescheitert, ein paar wichtige Schauspieler waren abgesprungen. Bernhardt notierte: langsame Abschwungphase, die sich durch den Tod von Gilda Beyer vermutlich noch einmal dramatisch beschleunigen würde.
Fest las sich Bernhardt aber dann bei Hans-Günther Steiner. Welch eine Welt allein in den Fotos mit diesem Steiner aufschien. Was für eine Figur, ein Sonnyboy, ein Strahlemann, braungebrannt, geweißtes Gebiss, immer gebleckt, weich fallende, lange braune Haare. Diesen Typus gab’s nur in Österreich, fand Bernhardt. Klar, schlagende Verbindung, früh Sekretär eines konservativen Studentenzirkels. Da ließ er sich aber nicht drauf festlegen, er antichambrierte auch bei der Linken. Von den Gewerkschaften war’s zu einer Bank gegangen, dann war er Geschäftsführer einer Vereinigung für Wissenschaft und Zukunftsforschung, was immer das gewesen sein mochte, und dann kam schon der Eintritt in die Politik, wo er nach kurzer Zeit als Tourismusminister »angelobt« wurde, schönes Wort, das merke ich mir, sagte sich Bernhardt. Trennung von der Jugendfreundin, Ehe mit einer Millionärstochter im Teenageralter, ein paar Jahre später Scheidung. Unter Donner und Blitz raus aus der Politik, unter Beschimpfung des Mannes, der ihn gefördert hatte, rein ins weltweite Finanztransaktionsgeschäft, wo ihm seine politischen Freunde sicher sehr hilfreich sein konnten.
Dieser Werdegang klang ganz folgerichtig, als hätte einer jeden Schritt geplant, um ganz oben anzukommen. Oder aber Steiner war ein Spieler, ein Hasardeur, einer, der auf dem hohen Seil balancieren musste, um ordentlich Adrenalin ausschütten zu können. Jedenfalls hatte er sich ein Riesenimperium aufgebaut, Hedgefonds, geschlossene und offene Immobilienfonds, er hatte jongliert mit Derivaten und Leerverkäufen, was nichts anderes hieß, wie Bernhardt überrascht feststellte, als dass man Werte verkaufte, die man noch gar nicht besaß, aber irgendwann besitzen würde. Steiners Unternehmen waren bevorzugt in Offshore-Finanzplätzen angesiedelt, in »Ländern mit niedriger Rechtsschwelle«, so hieß das wirklich in einem der Artikel, in Ländern wie den Cayman Islands, den Britischen Jungferninseln, in Macau und Belize, in Paraguay und Vanuatu, wo immer das nun liegen mochte.
Und was dem armen Steiner so alles passierte: Kaum hatte er ein Jugendstilpalais gekauft, das er zum Luxushotel ausbauen wollte, kam es auch schon zu einem irreparablen Wasserschaden. Man muss auch mal Pech haben, hatte er da mit Haifischlächeln in der ZIB 2 verkündet. Und natürlich war das Verleumdung, wenn man ihm Geldwäsche unterstellte. Er doch nicht, grinste er in die Kameras.
Und dann schwärmte er davon, wie er die Vereinigten Arabischen Emirate mit anderen globalen Entscheidern zu einem modernen, weltoffenen Land entwickeln werde. Inmitten der islamistischen
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