Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
die Kioske ausgeliefert. Dann könne der geschätzte Leser die ausführlichen Ergebnisse einer langwierigen Recherche über einen der einflussreichsten Männer der Republik lesen.
In der knalligen, hauptsächlich in der Farbe Rot gehaltenen Vorschau las sich das schön plakativ.
Hot – so heiß wie immer – Hot—Hot—Hot—Hot—H
DIE WAHRHEIT
ÜBER HANS-GÜNTHER STEINER
• Der Politiker:
Amtsmissbrauch – Geldwäsche – Korruption
• Der Geschäftsmann:
Immobilienbetrug – Scheinfirmen – Steuerhinterziehung – Die Dubai-Lüge
• Der Frauenfreund:
Lug – Trug – und noch viel mehr!
Das Ganze war mit ein paar Fotos und Zitaten aus vergangenen Zeiten garniert. Bernhardt schaute Gabi Kratochwil an. »Was ist denn daran sensationell? Das habe ich doch gerade alles in meinem Dossier gelesen.«
»Man konnte ihm ja bis jetzt nichts richtig nachweisen, vielleicht haben die endlich harte Beweise. Der Hofrat meint, es könnte sein, dass die alles so aufblasen, um eine ganz bestimmte Sache auffliegen zu lassen. Aber wir wissen nicht, was.«
»Und ein Exemplar von diesem Revolverblättchen konntet ihr euch nicht besorgen?«
»Nein, die drucken erst spät an, hieß es. Und lassen nichts durchsickern. Der Hofrat wollte die per einstweiliger Verfügung zwingen, uns vorab eine Ausgabe zu liefern, aber so kurzfristig war das nicht möglich.«
Nach einer guten Viertelstunde kamen sie am City-Air-Terminal an der Landstraße an. Gabi Kratochwil kutschierte ihn mit einem kleinen Auto, das sie geschickt über die glatten Straßen manövrierte, ins Polizeipräsidium.
Dort herrschte eine Stimmung, wie sie wohl in so einem Fall in jeder Polizeibehörde der Welt zu erleben war. Schlechtes Licht, stickige Luft, auf einem Tablett Brötchen, deren Belag sich schon wellte, ein paar Kaffeekannen, halb leergetrunkene Tassen und Gläser auf Tischen und Büroschränken, ein Fernseher mit flackerndem Bild und ein älterer Mann, umringt von jüngeren Männern und Frauen.
Als Bernhardt eintrat, wandte sich ihm der ältere Herr mit weit geöffneten Armen zu – der Hofrat Hromada.
»Welch eine große Freude, Sie haben uns gefehlt, jetzt haben wir endlich die Kompetenz, die uns weiterbringen wird.«
Fehlt nur noch, dass du »Küss die Hand« sagst, dachte Bernhardt. Und ihm fiel die Frage ein, die ihm einmal ein Wiener Kollege in den Zeiten vor Anna Habel gestellt hatte: Was ist der Unterschied zwischen dem Berliner und dem Wiener Charme? Richtige Antwort: Der Berliner Charme tut sofort weh.
Der Hofrat demonstrierte vor dem Berliner etwas aufdringlich, wie Bernhardt fand, die alte Wiener Schule. Er stellte seine Mitarbeiter mit ein paar freundlichen Worten vor und zelebrierte ausgesuchte k. u. k. Höflichkeit.
»Ich bitt den Zustand im Raum höflichst zu pardonieren, aber die Absenz von der Anna Habel, das irritiert uns total. Sie ist verschwunden, und wir mühen uns und kommen ihr nicht auf die Spur. Was sagen Sie, Herr Bernhardt?«
»Ich kann nur sagen, dass sie an einem Ort mit schlechtem Handyempfang war, als sie zuletzt mit mir telefoniert hat. In einem Keller, in einem U-Bahn-Schacht, in einem Fahrstuhl, keine Ahnung. Aber kann man ihr nicht beibringen, dass sie sich ordnungsgemäß abmeldet? Das würde einem doch viel Sorge ersparen und eine Suchaktion mit ihrem ganzen Aufwand überflüssig machen.«
»Ich werde sie in diesem Sinne instruieren. Aber seien Sie nicht zu streng mit der Frau Habel, wer weiß, wo sie gerade ist.«
»Ich bin nicht streng, ich mache mir Sorgen – und zwar nicht zu knapp.«
Und in der Tat: Bernhardt machte sich große Sorgen, und ihm wurde in dieser Nacht klar, dass er sich Anna viel näher fühlte, als er sich das in der letzten Zeit zugestanden hatte. Er dachte an ihr Lachen, an ihre Lebhaftigkeit, an ihre Sprüche, an ihre oft heftige Art, die manchmal unvermittelt ins Zärtliche umschlagen konnte, er erinnerte sich an diese seltsame gemeinsame Nacht auf seinem Balkon in Berlin. Verdammt, ja, er machte sich Sorgen, wo war sie?
»Herr Hofrat…«
»Sagen S’ Hromada, das reicht.«
»…also, Herr Hromada, wenn Sie nun gar keine Hinweise und Verdachtsmomente haben, was das Verschwinden von Anna Habel angeht, sagen Sie mir wenigstens, was es mit dem Steiner auf sich hat…«
Bernhardt zog den Zettel mit der Hot -Vorankündigung aus der Tasche. »Was ist da zu erwarten?«
»Ach, diese Hot -Leute, die werden ein Bömbchen zünden, irgendwas,
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