Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
Dubai, Abu Dhabi, fragwürdige Finanzgeschäfte, das perlt an dem Steiner ab, an dem perlt alles ab. Das Bürscherl hat schon viel Dreck am Stecken, das stimmt. Aber Sie werden’s sehen, morgen wird er im Café Landtmann gleich zum Frühstück große Reden führen, und die Reporter werden sich seine süßen Worte anhören und brav aufschreiben, wenn s’ nicht sowieso von ihm bezahlt werden. Und eine Unterlassungsklage von ihm in Sachen Hot ist auch schon draußen.«
»Abu Dhabi, Dubai, das interessiert mich weniger, ich will wissen, wie es mit seiner Verbindung zu Sophie Lechner aussieht.«
In Hromadas Blick blitzte leichte Ironie auf.
»Ah, gehn S’, der ist seit Jahr und Tag von einer sich verheißungsvoll öffnenden Blüte zur anderen geflattert. Und wenn ihm der Nektar zu bitter wurde, ist er halt weitergezogen. Ich weiß, wegen der Lechner sind S’ ja annonciert worden, aber da sollten S’ keine zu großen Erwartungen haben. Im Übrigen hat ihn die Kollegin Habel abgeklopft, und da war nichts…«, kurzes Zögern, »…soweit ich weiß.«
»Eben, soweit Sie wissen. Wieso soll der Steiner da nicht drinstecken in der Sache mit der Lechner? Vielleicht ist ihm die Habel bei ihren Nachforschungen auf die Schliche gekommen?«
»Vielleicht. Möglich ist alles, aber wahrscheinlich dünkt’s mich nicht. Schauen wir doch mal…«
Er wies auf den Fernsehbildschirm. Der Moderator der Spätnachrichten äußerte sich gerade ironisch über den neuerlichen Versuch eines renommierten Journals (ironisches Tremolo), den beliebten (Verstärkung des Tremolos) Finanz- und Kulturguru Steiner, in dem sich viele, wenn nicht alle Österreicher, wenn sie ehrlich seien, auf die eine oder andere Art wiedererkennen könnten, zu entlarven, der Moderator dehnte das Wort genüsslich. Er sei sich sicher, dass da nur wieder heiße Luft gequirlt werde, lasse sich aber gerne, koketter Augenaufschlag, eines Besseren belehren.
Der Hofrat gab Bernhardt mit dem Blick des Wissenden zu verstehen: Ja, sehn S’, Herr Kollege aus Berlin, hab ich’s nicht g’sagt?
Die Nacht verlief zäh, die Zeit dehnte sich. Bernhardt brannten die Augen, sein Magen rebellierte wegen des vielen Kaffees, den er getrunken hatte, die gelegentlichen Telefongespräche der Kollegen drangen nur halb in sein wattiges Gehirn, die Funkstreifen durchkämmten die Stadt und riefen in regelmäßigen Abständen an. Er wollte sich nützlich machen, aber man brauchte ihn nicht, und es tat sich nichts. Er nickte auf seinem Stuhl ein. Ab und zu schreckte er auf, wenn die Wiener Kollegen telefonierten oder sich berieten und der Name Anna Habel fiel. Ein-, zweimal versuchte er sich ins Gespräch einzumischen, aber ihm wurde bedeutet, dass das jetzt rein gar nichts bringe. Und Anna Habel blieb verschwunden.
Dann knurrte der Wecker seines Handys. Es war Zeit, zum nächsten Kiosk zu gehen, zur »Trafik«, hatte ihn Gabi Kratochwil milde korrigiert, um die Hot zu kaufen. Die Wiener Kollegen, die nicht so richtig an die Wichtigkeit des Steiner-Berichts glaubten, hatten ihm die Aufgabe übertragen. Halb stolperte, halb fiel er die Treppe hinunter, immer in dem Gedanken gefangen: Und wenn Anna was Schlimmes passiert ist? Gabi Kratochwil schaute ihn besorgt an. Sie selbst sah erstaunlich wach aus.
Die sensationelle Steiner-Geschichte schien die Wiener nicht zu interessieren, zumindest nicht in dieser frühen Morgenstunde. Niemand wartete ungeduldig auf die Auslieferung des Blattes. Als Bernhardt die Türklinke am Eingang der Trafik runterdrückte, raunzte der in mehrere Textilschichten verpackte Mann hinter dem Tresen nur ein Wort, in das er aber so viel Verachtung legte, dass Bernhardt zusammenzuckte. »Momenterl!« Gabi Kratochwils recht mattes »Grüß Gott« beim Betreten des Ladens blieb unerwidert.
Ein Auto fuhr vor, der Fahrer stieg aus, hievte ein Paket mit Zeitungen aus dem Gepäckraum und legte es vor dem Eingang ab. Um diese Zeit und in dieser Kälte wurde nicht gesprochen, der Fahrer begnügte sich mit einem vagen Heben seiner Hand. In seinem leicht vernebelten Gehirn hatte Bernhardt einen kleinen Geistesblitz: Genau wie in Berlin! Wien und Berlin, das waren in Wirklichkeit Brüder- oder seinetwegen Schwesternstädte im unerschütterlichen Geiste des Nur-nicht-freundlich-Seins. Welch eine Erkenntnis!
Mit aufreizender Bedächtigkeit machte sich der Trafikant am Zeitungspaket zu schaffen. Langsam, langsam trennte er die einzelnen Bündel voneinander. Als er zur Hot kam,
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