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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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unbemerkt, und seine Wahlreden, die man nicht anders als nüchtern und trocken bezeichnen konnte, erfreuten sich bei älteren und etwas pedantischen Leuten sogar eine gewissen Beliebtheit. Als man dies Yamazaki berichtete, wurde ihm bewußt, daß die Eigenart der Japaner, ihr Vertrauen in schlechte Redner zu setzen, keineswegs der Vergangenheit angehörte.
       Überall in den Wahldistrikten ereigneten sich ständig Zwischenfälle größere und kleinerer Art. Yamazakis Stimme wurde heiser von den vielen Anordnungen die er von Fall zu Fall durch das Telefon gab.
       »Im A-Distrikt im Suginami-Bezirk scheinen Bestechungen im Gange zu sein Es scheint sich um eine beträchtliche Summe zu handeln.«
       »Die Ermittlungstruppe soll sofort Beweise sammeln und sie der Polize
    übergeben.«
       »Im gesamten Bunkyo-Bezirk hat man Noguchis Plakate abgerissen und darüber Plakate von Tobita geklebt.«
       »Schön, dann kleben wir eben noch welche darüber. Ihr bekommt sofort neue Plakate.«
       »In der letzten Nacht wurden im Santama-Bezirk von Block A bis B seltsame Plakate geklebt, ungefähr dreitausend Stück. Sie zeigen einen häßlichen Dämon mit einer pausbäckigen Frau. Höchstwahrscheinlich eine Satire auf das Ehepaar Noguchi.«
       »Melde es sofort der Polizei.«
      Yamazaki selber hatte zwar nicht das geringste Vertrauen zur Polizei, da sie unter dem Einfuß der konservativen Partei stand, aber seine jungen Mitstreiter waren noch nie so begeistert zur Polizei gegangen wie jetzt. Und die Polizisten waren gezwungen, sich bei ihnen dafür zu bedanken, daß sie Verletzungen des Wahlgesetzes meldeten. Damit war also die Reformpartei ständig Gast bei der Polizei.

    Während des Wahlkampfes gehörte es zu Noguchis täglichen Gewohnheiten, morgens bevor er wegging und abends vor dem Schlafengehen mit einer verdünnten Borsäurelösung zu gurgeln, um seiner überforderten Kehle Linderung zu verschafen. Abends nahm er ein Bad und wurde massiert. Wenn der Masseur das Haus verließ, kam Noguchi endlich zur Ruhe. Dann setzte er sich im Pyjama, mit einem Frotteetuch um den Hals, auf die Bettkante und gurgelte. Kazu stand vor ihm und hielt mit beiden Händen eine Kupferschale, um das Gurgelwasser darin aufzufangen. Es war ein recht düsteres Ritual, fern der Hetze und Geschäftigkeit des Tages. Aber wenn Kazu die Schüssel hielt, empfand sie ein wahres Glücksgefühl bei dem Gedanken, daß endlich wieder ein Tag zu Ende war.
       Kazu mochte es nicht, wenn das Moskitonetz nach westlicher Art direkt am Bett aufgehängt wurde. Sie hatte daher ein weißes Leinennetz über das ganze Zimmer gespannt, aber es hielt auch die Luft fern, obgleich die Glastüren zum Garten ofenstanden. Das Licht der Nachttischlampe fel auf den reglosen Stof und hob die steifen Falten des weißen Leinens plastisch hervor. Kazu hatte das Gefühl, sich in einem streng abgeschlossenen, weißen Heiligtum zu befnden. Sie kniete im Nachthemd auf dem Mattenboden nieder und hielt die Schüssel mit beiden Händen hoch.
       In den Pausen zwischen Noguchis Gurgellauten hörte sie manchmal das Zirpen der Zikaden, die sich im Dunkel der Baumwipfel niedergelassen hatten. Der Ton durchzog die nächtliche Stille wie eine scharfe Nadel und endete stets in einem Trillerlaut, den die Nacht verschlang. Die Nächte in dieser Gegend waren sehr ruhig. Manchmal hielt ein Wagen in der Ferne, und man hörte die Stimmen betrunkener Menschen; aber sobald der Wagen mit aufheulendem Motor abfuh senkte sich wieder tiefe Stille nieder.
      Kazu liebte es, abends in dieser Stellung vor Noguchi zu verharren. Sie wa nicht weniger erschöpft als ihr Mann, aber der Gedanke, daß sie in der Haltung einer Priesterin vor einem Schrein diente, ließ sie alle Müdigkeit vergessen. Dies war eine Geste des Dienens und der Selbstaufopferung, die sie ihm ofen erwies und es störte sie nicht, daß ein paar Spritzer des Gurgelwassers ihr Gesich trafen.
    Auch Kazus Rücken schmerzte entsetzlich, aber sie hatte sich noch nie vor den Augen ihres Mannes massieren lassen. Glücklicherweise waren ihre Stimmbänder so robust, daß sie trotz der vielen Reden nicht heiser wurde.
       Sie blickte zu Noguchi auf. Er saß im Schlafanzug auf der Bettkante, in der rechten Hand ein Glas, stützte sich mit der linken und gurgelte mi zurückgebeugtem Kopf. Manchmal drehte er den Kopf von rechts nach links um das Wasser überall gleichmäßig zirkulieren zu lassen. Die Falten seines

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