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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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nicht einmal die Kraft zu weinen. »Nun, ob es eine Lüge ist oder nicht, wissen nur wir beide.« Totsukas Worte begleitete ein Grinsen, bei dem seine schmutzigen Zähne sichtbar wurden. In diesem
    Augenblick ähnelte er so sehr dem typischen Erpresser in einem altmodischen Melodrama, daß Kazu den Eindruck hatte, sie brauche ihn nicht ernst zu nehmen. Sie gewann sogar ihre Fassung so weit wieder, daß sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Unter ihrem Blick senkte er die langen Wimpern. ›Auch er fürchtet sich‹, dachte Kazu.
    Das Eis wurde gebracht.
»Iß!« kommandierte sie hochmütig. Totsuka hielt die eine Hand schützend
über den kleinen Eisberg, während er ihn mit dem Löfel zerdrückte. Er senkte
beim Essen das Gesicht fast in das Eis hinein. Seine langen Fingernägel starrten
vor Schmutz.
»Wieviel verlangst du dafür?« fragte Kazu schneidend.
    »Bitte?« Totsuka hob sein Gesicht vom Eis. Seine Augen blickten so unschuldig wie die eines jungen Hundes. Er zog einen Fetzen Papier aus der Tasche und begann umständlich zu rechnen. Es existierten dreitausend Stück davon, jedes sollte dreihundert Yen kosten: das machte zusammen neunhunderttausend Yen. Er rundete die Summe auf eine Million auf.
    »Gut. Komm morgen vormittag um zehn Uhr in mein Haus. Aber du bekommst keinen Pfennig Geld von mir, wenn auch nur eins von den dreitausend Exemplaren fehlt Bring mir alle dreitausend, dann werde ich zahlen.«

    Am nächsten Morgen hob Kazu das Geld von der Bank ab und wartete auf Totsuka. Nachdem sie ihm, wie vereinbart, das Geld übergeben hatte, nahm sie die dreitausend Heftchen in Empfang, verpackte sie sorgfältig und warf sie auf den Speicher. Sie wollte alle verbrennen, wenn sie sich etwas beruhigt hatte. An diesem Vormittag hielt sie keine Rede. Sie sagte, sie fühle sich nicht wohl, und bewahrte selbst gegenüber Yamazaki Stillschweigen über das Geschehene.
       Einige Tage danach wurde die Broschüre trotzdem in ganz Tokio verteilt. Man schätzte, daß einige hunderttausend Stück im Umlauf seien. »Der Feind hat endlich angefangen, blindlings Bomben abzuwerfen«, meinte Yamazaki und hielt ihr das Heftchen hin. Kazus Gesicht verfärbte sich, als sie den Einband sah, und dadurch verriet sie Yamazaki, daß sie bereits davon gewußt hatte.
       »Schade um das Geld!« sagte Yamazaki nur. »Eine Million Yen ist im Augenblick eine Menge Geld für uns. Warum haben Sie mich nur nicht um Rat gefragt? Sie können sicher sein, ein solcher Halunke geht über Leichen, ob er nun bezahl wird oder nicht. Natürlich wird auch die konservative Partei dahinterstecken.«
       Eine Sekunde erschien Genki Nagayamas Gesicht vor Kazus Augen, abe sie schwieg. Yamazaki fuhr fort: »Das Schlimme ist nur, daß diese elenden Broschüren wahrscheinlich auch in die Hände der etwas gebildeteren Hausfrauen in den Vororten gelangen. Es liegt ja klar auf der Hand, auf was sie abzielen: sie wollen an die Moral der Kleinbürger appellieren. Ich mache mir etwas Sorgen um die Stimmen in den Vororten, aber im großen Ganzen ist es belanglos. Deswegen braucht man nicht den Kopf zu verlieren.«
       Noguchis Haltung war bewundernswert. Selbstverständlich hatte auch e das Heftchen gelesen, es aber mit keinem einzigen Wort erwähnt. Kazu, die tief verletzt war und sich dem Ertrinken nahe fühlte, empfand seine männliche Verschwiegenheit wie eine Boje, die still auf dunkler See treibt.

    Yamazaki war so beschäftigt, daß er keine Zeit mehr hatte, mit Noguchi ode mit Kazu zusammenzukommen. Wie ein Schauspieler, der auf der Bühne vo Aufregung zu stottern anfängt, vergaß auch Noguchi in der Hitze des wirklichen Wahlkampfes alle Belehrungen, die Yamazaki ihm erteilt hatte. »Sich niemals über Zwischenrufe aufregen«, hatte Yamazaki gesagt; aber Noguchi verlor seine Gelassenheit des öfteren. Als er einmal in Kichijoji eine Rede hielt, hatten seine Gegner eine Gruppe von etwa zwanzig Zwischenrufern auf die Beine gebracht Empört über die dauernden, hartnäckigen Zwischenrufe platzte Noguchi heraus »Ihr jungen Leute könnt das ja gar nicht verstehen!« Woraufhin jemand brüllend antwortete: »Hast recht, Großvater!« Noguchis Mitarbeiter schwitzten of Blut und Wasser, weil er im Eifer seiner Reden unbekümmert peinliche Fehle beging, ohne es selber zu bemerken. Zum Beispiel wies er einmal wiederhol mit großem Nachdruck auf die »jetzige kaiserliche Reichsverfassung« hin. Abe merkwürdigerweise blieben solche Versehen Noguchis fast

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