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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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Nummer wählte, klopfte ihr Herz heftig. Ohne es zu wissen näherte sie sich in diesem Augenblick dem innersten Wesen der Politik – dem Verrat.

    Die Familie Sawamura verehrte seit Generationen die Göttin Bensaiten. Aus Achtung vor dieser eifersüchtigen, jungfräulichen Göttin hatte Sawamura nie geheiratet. Statt dessen hatte er eine Geisha namens Umejo genommen; aber um die Form zu wahren, behandelte er sie wie eine Dienerin. Umejo hielt sich imme im Hintergrund und sprach nie ein Wort, wenn Gäste da waren. Selbst ihn, de in Wirklichkeit ihr Mann war, nannte sie »Euer Gnaden«.
    Als Kazu fragte, ob sie Sawamura besuchen dürfe, antwortete Umejo
    unbefangen: »Ich bin sicher, daß Seine Gnaden Sie gern empfangen wird. Aber ich muß erst fragen, an welchem Tag es paßt.« Es wurde abgemacht, daß die Begegnung am 15. September um elf Uhr vormittags stattfnden solle. Am nächsten Tag erfuhr Kazu, daß Noguchi für den Umzug in das Mietshaus in Koganei ebenfalls den 15. September vorgesehen hatte. Sie war betrofen über diesen unglücklichen Zufall. Aber sie war sicher, daß Sawamura nicht noch einmal bereit sein würde, sie zu empfangen, wenn sie die erste Verabredung nicht einhielt.
       Kazu dachte verzweifelt darüber nach, wie sie am Tage des Umzugs aus dem Hause verschwinden könnte. Als Hausfrau mußte sie natürlich beim Umzug dabei sein. Noguchi hatte den Termin allein bestimmt; er war nicht der Mann, der so etwas erst mit seiner Frau besprach; und es ging über Kazus Macht, den Tag des Umzugs zu verschieben.
       Noch einmal erwachte die Kraft zu einem schnellen Entschluß in ihr. Einen Tag vor dem Umzug fuhr sie, unter dem Vorwand, noch Verschiedenes ordnen zu müssen, zum Setsugoan. Dort klagte sie über heftige Kopfschmerzen und schickte nach dem Hausarzt, der in der Nähe wohnte. Sie überredete ihn, bei Noguchi anzurufen und ihm zu sagen, es sei besser, wenn Kazu im Setsugoan übernachte. Früh am nächsten Morgen ließ sie den Arzt wiederkommen und bat ihn, noch einmal bei Noguchi anzurufen, um ihm zu sagen, sie müsse noch bis abends ruhig liegen bleiben.
       Danach verabschiedete sie den Arzt in größter Eile, schickte Noguchi zwei junge Mädchen, die beim Umzug helfen sollten, und behielt nur ein ihr treu ergebenes Mädchen bei sich. Nun erhob sie sich mit erstaunlicher Behendigkeit von ihrem Krankenlager, und das Mädchen, das die Situation sofort erfaßte, legte ihr die Garderobe zurecht: einen ungefütterten Kimono aus grobem Seidenkrepp in hell und dunkel getönten Sepiafarben mit einem Muster aus Herbstblumen unterhalb des Knies und dazu einen weißen Obi, auf den in Grün, Blau und Silber ein Insektenmuster gestickt war. Kazu saß mit entblößten Schultern im Schein der herbstlichen Morgensonne vor dem Frisiertisch, das Mädchen stand mit aufmerksamer Miene neben ihr. Kazu brauchte nicht ein Wort zu sagen: ein Blick im Spiegel genügte, und das Mädchen grif zu, wo es nötig war. Sie schien zu ahnen, daß das ofenbar wichtige Vorhaben ihrer Herrin ihre Zukunft bestimmen würde.
      Trotz der anstrengenden Sommermonate hatten Kazus üppige Schultern und Brüste nichts von ihrer Schönheit eingebüßt. Nur ihr braungebrannter Hals, der sich seltsam wie eine welke Blume von dem blütenweißen Körper abhob, zeigte die Spuren des Wahlkampfes. Die Morgensonne war noch fast sommerlich heiß, aber Kazus weiße Schultern und Brüste waren eiskühl. Das zarte, satte Weiß ihrer Haut schien das Licht zurückzuweisen, so als schirme es einen kühlen,
    dunklen sommerlichen Raum ab.
       Es war erstaunlich, wie wenig Kazus Teint ihr Alter verriet. Ihre Haut schien unbeschadet die Härte der Jahre überstanden zu haben. Diese sanft schimmernde elastische Haut, unter der sich so viel Gewandtheit und Verschlagenheit verbarg ruhte in sich selbst wie die Oberfäche von Milch in einer Schale. Die winzigen Hautporen schienen sich begierig dem Morgenlicht zu öfnen und gaben dem Teint einen duftigen Schimmer.
       »Was haben Sie für schöne Haut! Sogar eine Frau könnte Lust bekommen, sie zu liebkosen«, sagte das Mädchen.
       »Ich habe keine Zeit für Komplimente«, erwiderte Kazu. Obwohl sie mi zornfunkelnden Augen in den Spiegel blickte, war sie im Innern über das Lob erfreut. Sie besprühte ihre Haut ausgiebig mit Toilettewasser, ließ sich von dem Mädchen den Hals schminken und verteilte etwas Creme und Puder auf de braunen Haut, um den Sonnenbrand zu verdecken. Noch nie hatte Kazu

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