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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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Sie doch auch niemand dazu. Im Augenblick, glaube ich, brauchen Sie gar keine Zerstreuung; Sie sind noch beschäftigt und haben dadurch genug Ablenkung. Aber bald wird eine Zeit der Leere kommen, in der Sie gar nichts mehr anzufangen wissen. Eine Leere, in der Sie nicht einmal einen Finge bewegen mögen.« So sprach der Wahlexperte.

    Zwei Tage danach begann am frühen Morgen die Versteigerung von Noguchis Habe im Setsugoan. Noguchi hatte alles, was er besaß, zum Verkauf angeboten.
       Die großen Möbel standen auf einem Teppich, der auf dem Rasen ausgebreite worden war. Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte so heftig, als sei es noch Hochsommer. Ein Doppelbett auf dem Rasen zog die Blicke der Käufer besonders auf sich. Es war das Bett, in dem das Ehepaar Noguchi bis zur vergangenen Nach geschlafen hatte. Trotz der Damastdecke, die man darüber gebreitet hatte, machte es auf die Besucher einen seltsam nackten, tragischen Eindruck. Es stand etwas entfernt von den anderen Möbeln in der Mitte des Rasens. Die grellen Strahlen der vorherbstlichen Sonne ließen die zart jadefarbene Decke aufdringlich stark aufglänzen. Dennoch paßte dieses Bett – seltsam genug – gut in diese Umgebung hinein: auf den ungepfegten Rasen, der so hoch gewachsen war, daß er wie Heu roch, unter die hohen Kiefern, Kastanien und Zürgelbäume, zwischen denen de
    blaue Himmel zu sehen war.
    »Das ist praktisch«, bemerkte ein vorlauter Gast. »Man sollte es dort stehen lassen.«
    Als die Abenddämmerung hereinbrach, felen die Schatten der Äste auf das Bett; und das abendliche Zirpen der Zikaden umgab es.

Das Grab in den Abendwolken

    Nichts hatte Kazus Herz so in Schreck versetzt wie Yamazakis Bemerkung, daß nun eine Zeit der Leere käme, in der sie keine Lust verspüren werde, auch nu einen Finger zu rühren. Wann würde das sein? In zehn Tagen? Morgen? Vielleich war die Leere schon da? Und sie war sich dessen nur noch nicht bewußt?
      Bei diesem Gedanken wurde Kazu von unbeschreiblicher Unruhe erfüllt. Sie besaß nicht genug Selbstvertrauen, diese Leere ertragen zu können. Sie hatte bereits mehrmals in ihrem Leben solche Zeiten durchgemacht; aber sie ahnte daß es diesmal unvergleichlich schlimmer sein würde.
       Sie versuchte immer wieder, sich auszumalen, wie dieses Ungeheuer von Leere wohl aussehen mochte, aber es gelang ihr nicht. Sie wäre froh gewesen, wenn es überhaupt ein Gesicht gehabt hätte, wie furchtbar es auch sein mochte, denn noch mehr fürchtete sie ein gesichtsloses Ungeheuer.
      Die Erfahrungen bei der Wahl hatten Kazu die Augen über ihren wahren Charakter geöfnet. Bisher war sie sich selber im großen und ganzen mi unerschütterlichem Vertrauen begegnet, nun waren ihr verschiedene Besonderheiten ihres Wesens klar geworden: Sie hatte entdeckt, welche Neigung stark und welche schwach ausgeprägt war und wieviel Ausdauer sie unte gewissen Umständen besaß. Sie wußte nun auch, daß sie Leere auf gar keinen Fal ertragen konnte. Ein unglückliches Leben wäre ihr lieber gewesen als eins ohne Inhalt – so wie der scharfe Nordwind, der ihren Körper peitschte, ihr tausendma lieber war als eine Windstille.
    Während eine innere Unruhe sie quälte, zuckte ihr manchmal der Gedanke durch den Kopf: »Eröfne das Setsugoan wieder.« Sie wußte nur allzu gut daß dies ein hofnungsloses Unternehmen war. Trotzdem klammerte sie sich unentwegt an diese Hofnung, die wie eine kleine Sonne beharrlich durch die dicke Wolkendecke des Himmels schimmerte. Die Aussichtslosigkeit wa die Quelle ihres Glanzes. Flimmernd und verlockend stand diese Sonne in wunderbarer Schönheit am Himmel, und so oft Kazu auch den Kopf abwandte so oft kehrte ihr Blick, wie magnetisch angezogen, zu diesem Strahlen zurück Und wenn ihr Blick erst einmal in diese blendende Helle starrte, schien alles andere in Finsternis zu versinken.
    Tagelang wog sie in ihrem Herzen die kommende Leere gegen die Möglichkei einer Wiedereröfnung ab, wie auf einer Waage. Sie, die für ihre raschen Entschlüsse bekannt war, schwankte nun zwischen zwei höchst ungewissen Chancen. Was nützte es ihr, in solch einem Fall das Orakel zu befragen?
       Sie dachte über die vergangenen Monate des Wahlkampfes nach und kam zu dem Schluß, daß die konservative Partei weder mit ihren politischen Prinzipien, noch mit ihrer Intelligenz gewonnen hatte. Auch die Persönlichkeit und die Lauterkeit des Kandidaten hatten nicht den Ausschlag gegeben. Noguchi war unbestritten

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