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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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den Eingeweiden von gottesfürchtigen Menschen Tauziehen zu spielen?
    James! Mrs. Grierson ist aufgebracht. Ich sage es nicht noch einmal …
    Sind sie dazu da, die Einwohner ganzer Landstriche zu verdauen?
    James, es reicht! Ich weigere mich, mir an meinem Tisch solche Abscheulichkeiten anzuhören!
    Du weigerst dich also. Mit einem amüsierten Glucksen fixiert James seine Großmutter. Du weigerst dich.
    Dann stößt er seinen Stuhl zurück, pfeffert die Serviette auf den Teller und stapft aus dem Salon.
    Mrs. Grierson sieht ihm nach. Dann fasst sie sich und schenkt Temple ein würdevolles Lächeln. Ich entschuldige mich für das Benehmen meines Enkels.
    Kein Problem, antwortet Temple. Manchmal muss man die Wände hochgehen, damit man wieder Boden unter die Füße kriegt.
    Das Leben hat ihm übel mitgespielt, konstatiert Mrs. Grierson.
    Er war bei der Army, fügt Richard leise hinzu.
    Ich muss hier verschwinden, Dussel. Ein paar Tage können wir bleiben, damit wir vielleicht den alten Moses abschütteln, aber ich hab nich so viel durchgestanden, um mich dann in ’ne Familie hinter einem elektrischen Zaun reinziehen zu lassen.
    Er sitzt auf dem Bettrand, wo sie ihn platziert hat, und stochert mit den Fingerspitzen in die Luft, als wäre dort etwas, das seine ganze Konzentration erfordert.
    Echt ein Rätsel, was du in dieser Welt siehst, Dussel.
    Sie überlegt.
    Trotzdem, für dich is es hier gar nich so schlecht. Nach ein paar Tagen haben sie dich liebgewonnen, und dann hast du ein neues Zuhause. Ein Haufen Leute, die dir dein Essen machen und aufpassen, dass du dir nich wehtust.
    Sie nickt mehrmals und schiebt den Vorhang beiseite, um hinauszuspähen.
    Klar, sie sind ein bisschen plemplem – aber einen netteren Ort werden wir zwei in unserem Leben nich mehr zu Gesicht kriegen.
    Später, nach Sonnenuntergang, schleicht sie sich hinaus zu ihrem Auto, um das Gurkhamesser hinaufzuschmuggeln, weil sie nicht gut schläft, wenn sie es nicht zur Hand hat. Der Wagen steht hinter dem Haus, wo sich der Hügel weiter hinaufzieht zu einem dichten Wald. Sie bemerkt einen dünnen Pfad, der sich durch die Bäume windet – und eine schattenhafte Gestalt am Eingang des Pfads.
    Na, interessanter Anblick? Sie spricht so laut, dass der Unbekannte es hören muss.
    Doch statt zu antworten, wendet sich die Gestalt einfach ab und steigt den Pfad hinauf. Bald darauf ist sie zwischen den dichten Blättern verschwunden.
    Sie blickt kurz zurück zum Haus, dessen erleuchtete Fensterrechtecke die Sicherheit des Vertrauten verheißen. Seufzend fixiert sie die Schuhe, die sie von Mrs. Grierson bekommen hat. Sie passen zu dem Taftkleid, aber einen Marsch durch den Wald überleben sie bestimmt nicht.
    Schade drum, es sind wirklich hübsche Schuhe.
    Da kein Mond scheint, muss sie sich den Pfad durch die Bäume ertasten und lässt das Messer vor sich durch die Luft sausen. Allerdings weniger deshalb, weil sie befürchtet zu stolpern, vielmehr möchte sie vermeiden, an der Grenze des Grundstücks in einen elektrischen Zaun zu laufen.
    Hin und her windet sich der Pfad den Hang hinauf. Ab und zu glaubt sie, andere Schritte zu hören. Ob hinter sich oder vor sich, kann sie nicht ausmachen, aber sie verharren jedes Mal, wenn sie zum Lauschen anhält.
    In so einer stockfinsteren Nacht möchte sie sich nicht anschleichen, also ruft sie: Warum kommst du nich einfach raus, wer du auch bist, dann können wir zusammen einen Mitternachtsspaziergang machen. Sonst hack ich dir noch aus Versehen was ab.
    Keine Antwort. Sie wendet sich zurück in die Richtung, wo das Haus liegt. Es ist verdeckt von Bäumen, aber am unteren Himmel bemerkt sie seinen leisen Widerschein. Schließlich setzt sie den Weg bergauf fort.
    Bald darauf gelangt sie auf die Gipfellichtung, und vor ihr breitet sich eine herrliche Aussicht aus. Unter ihr liegt die verseuchte Stadt im schwachen Schimmer einzelner Lichtkreise. Dicht gedrängt torkeln die aus der Ferne winzig wirkenden Schaben dahin. Nur das Rascheln der Blätter ist zu hören, ein Frieden, der nicht zu dem eindringlichen Gemälde des Grauens dort unten passen will.
    Anscheinend wird die Lichtung oft besucht. Es gibt eine Parkbank und einen kleinen, weiß lackierten Tisch mit einer Glasplatte. Neben der Bank auf dem Boden stehen zwei leere Flaschen. Tote Soldaten hat Onkel Jackson so was immer genannt.
    Plötzlich kommt von hinten eine Stimme. Ich ziele mit einer Waffe auf deinen Kopf. Dreh dich nicht um.
    Temple schaut sich um. Es

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