Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
Vom Netzwerk:
gemütlichen kleinen Platz für mich gefunden, aber dann war klar, dass bald die Fleischsäcke anrücken. Davor bin ich viel rumgereist. Alabama, Mississippi, Texas. Einmal bin ich rauf bis nach Kansas City gekommen.
    Was ist mit deinen Eltern?
    Was soll mit ihnen sein?
    Wo sind sie?
    Keine Ahnung. Ich muss ja welche gehabt haben. Aber entweder sind sie abgehauen oder sie sind gestorben, bevor ich mich an was erinnern konnte.
    Und was ist … Er deutet nach unten zum Haus. Ist er wirklich dein Bruder?
    Der? Mm-mm. Das is bloß ein Dussel, den ich vor einer Weile aufgegabelt hab. Er redet nich viel, aber er folgt ganz brav. Kann bestimmt ganz schön was heben, groß wie er is. Sicher kein schlechter Arbeiter, falls jemand einen braucht.
    Du hast also gar keine Verwandten mehr?
    Mit einem Achselzucken schnieft sie und wischt sich mit dem Handrücken die Nase ab. Eigentlich nich. Früher gab’s mal ’nen Jungen. Malcolm. War vielleicht mein Bruder – aber die Unterlagen im Waisenhaus sind alle verbrannt. Und später waren wir mit Onkel Jackson zusammen, aber den haben wir nur so genannt. Der war kein echter Onkel und gar nix.
    Was ist mit ihnen passiert?
    Onkel Jackson wurde gebissen.
    Es passierte oben auf dem Hügelkamm, wo Onkel Jackson gern Kaninchen jagte. Er kauerte in einem Hohlweg und zielte sorgfältig, als er plötzlich Hände auf dem Rücken spürte und Zähne sich in seinen Unterarm gruben. Er hatte die Schabe überhaupt nicht gehört. Anscheinend hatte sie sich schon wer weiß wie lang im Laub versteckt und auf vorbeikommendes Essen gelauert wie eine Venusfliegenfalle.
    Sie traf ihn später, als er zur Hütte zurückkehrte.
    Du musst mir einen Gefallen tun, Würmchen. Wird nicht schön sein. Bist du bereit?
    Sie nickte.
    Er führte sie zu einem umgestürzten Baum und rollte den Ärmel hoch. Dann streckte er den Arm aus und forderte sie auf, ihn über dem Ellbogen fest mit dem Gürtel abzubinden. Danach befahl er ihr, ihn mit dem Gurkhamesser abzutrennen.
    Nur ein kurzer Schlag. Meinst du, du schaffst das?
    Das wird dir doch furchtbar wehtun.
    Nicht so weh wie die Alternative, Würmchen. Mach es einfach. Bist vielleicht dreizehn Jahre alt, aber so treffsicher mit dem Ding, wie ich es noch nie gesehen hab. Schaffst du es?
    Sie nickte.
    Er steckte sich das lose Ende des Gürtels in den Mund, um draufbeißen zu können.
    Schnell und fest, wie er es ihr beigebracht hatte, ließ sie die Klinge niederfahren.
    Danach konnte er nicht geradeaus gehen, also stützte sie ihn am gesunden Arm, führte ihn zurück zur Hütte und legte ihn auf die Pritsche.
    Was ist mit Onkel Jacksons Arm passiert? Malcolm spähte um Temple herum nach dem Verletzten. Er machte sich immer leicht Sorgen, und manchmal, wenn er sich aufregte, musste man ihn in eine Tüte atmen lassen.
    Er hat einen Unfall gehabt.
    Waren es Fleischsäcke?
    Alles wird wieder gut. Geh zum Brunnen und bring mir Wasser.
    Aber wo is sein Arm?
    Jetzt lauf schon.
    Sie erhitzten Wasser auf dem Holzherd, legten Onkel Jackson feuchte Tücher auf die Stirn und versuchten ihm Wasser einzuflößen. Lange Zeit blieb er unruhig, sein Kopf zuckte hin und her, und die gesunde Hand griff vergeblich nach dem verschwundenen Arm.
    Schließlich schlief er ein, und Malcolm folgte seinem Beispiel. Temple blieb wach und beobachtete den Mann im Schein des Feuers.
    Nach Mitternacht wachte er auf, aber er war nicht mehr derselbe. Er hatte etwas Stilles an sich, als hätte er sich aufgegeben.
    Wie geht’s dir, Würmchen?
    Alles klar.
    Es hat mich erwischt. Ich spüre es.
    Aber dein Arm. Vielleicht war es noch rechtzeitig, und du veränderst dich nich.
    Er schüttelte den Kopf. Ich spüre es, es ist in mir. Und was es auch ist, es ist jetzt ein Teil von mir. Du musst Malcolm von hier wegbringen.
    Nein. Du kannst es gar nich wissen. Du bist krank, aber es muss nich daran liegen. Vielleicht schaffst du es doch noch.
    Hör mir zu, Würmchen. Das musst du dir merken, denn es ist wichtig. Wenn es passiert, kannst du es spüren. Verstanden? Hast du mir zugehört? Wenn es passiert, wirst du es wissen.
    Aber …
    Gib mir die Pistole vom Tisch.
    Sie holte die Waffe.
    Er ließ das Magazin herausgleiten. Jetzt nimm alle Patronen raus bis auf eine.
    Und wenn du doch …
    Komm schon, Würmchen. Mach, was ich dir sage. Lass nur eine Kugel drin. Die anderen wirst du brauchen.
    Sie folgte seiner Anweisung.
    Jetzt bringst du die Waffen raus in den Kofferraum des Wagens und setzt auch Malcolm rein. Dann

Weitere Kostenlose Bücher