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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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Sogar aufstehen kann sie. Sie streckt sich und stapft ein paarmal im Kreis herum, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Dann hört sie ein Wimmern aus der Zelle hinter der von Moses Todd.
    Maury. Sie späht an Moses vorbei.
    Und da ist er tatsächlich, ihr Dussel, und streckt mit kläglichem Jammern den Arm durch das Gitter nach ihr.
    Dachte mir schon, dass sie dich geholt haben, Maury. Sie spürt, dass sie lächelt, obwohl es wehtut. Irgendwie hat mir ein Dussel gefehlt.
    Maurys leere, träge Augen starren sie an.
    In der Zelle zwischen ihnen reißt Moses mit den Zähnen und seinem gesunden Arm einen langen Streifen von dem Laken auf seiner Pritsche.
    Wirklich rührend. Er schiebt den Stofffetzen durch die Gitterstäbe. Aber vielleicht könntest du mir helfen, bevor ich zusammenklappe.
    Sie weicht vor ihm zurück.
    Ich helf dir nich, deine Wunde zu verbinden, Mose. Du versuchst bloß wieder, mich umzubringen.
    Du hast doch gewusst, dass ich hinter dir her bin.
    Is mir egal. Wenn du verblutest, muss ich mich mit einer Sorge weniger rumschlagen.
    Er lacht in sich hinein und schüttelt den Kopf. Da hast du wahrscheinlich Recht.
    Er setzt sich mit dem Streifen auf seine Pritsche und macht sich sorgfältig daran, ihn um seinen Arm zu wickeln und mit den Zähnen zu verknoten.
    Dann öffnete sich auf der anderen Seite die Tür, und zwei Männer treten ein, riesig wie die anderen. Sie müssen den Kopf einziehen, um durch die Tür zu kommen. Einer von ihnen hat keine Schuhe an. Stattdessen sind seine Füße mit knöchernen Wucherungen aus sehnendurchzogenen Platten umhüllt, die sich beim Gehen dehnen und spannen. Sie fragt sich, wie weit hinauf diese Knochensubstanz reicht. Die Haut in seinem Gesicht ist zur Hälfte verschwunden, und ein nackter Augapfel kreist in einer gallertartigen Höhle. Er sieht aus wie eine Leiche, wie ein Fleischsack, aber er bewegt sich mit menschlicher Zielstrebigkeit und Schnelligkeit.
    Sein Begleiter ist weniger verfallen. Seine Haut ist an manchen Stellen aufgeplatzt, und das Haar ist ihm büschelweise ausgefallen, aber anscheinend hat er keine Knochenwucherungen.
    Die Füße des Schuhlosen klappern beinern über den Linoleumboden, als er zu Temples Zelle schreitet.
    Das Mädel is wach, Bodie. Er packt die Gitterstäbe und spricht Temple an. Mädel, du has Millie fast zu Tod erschreckt. Warum tust du der klein Maus so ein Schreck einjagn? Was hast du in der Kinderstube verlorn? Die hat das Zeug zu einer echtn Mutterfrau in ihrer klein Seele. Das is einfach gemeine Boshaftigkeit, wenn man da drauf rumtrampelt. Bist vielleicht neidisch, weilse eine Familie hat, die was sie liebt?
    Sein Auge rollt in der Höhle nach hinten und wird feucht.
    Ihre Puppen sind mir völlig egal, antwortet Temple. Sie war die mit der Waffe.
    Ach. Er deutet zu dem Gurkhamesser zwischen der Laborausrüstung auf dem Tisch. Und das da is wohl eine Wildblume, was? Mama is nich gut auf dich zu sprechen, Mädel. Ich glaub, du bist bloß neidisch. Aber die Familie is eine eisenfeste Sache. Da könn sich keine Fremden nich reindrängeln.
    Ruhig, Royal, sagt Bodie. Wir sin bloß für unsere Dosis da. Setz dich.
    Royal starrt Temple noch eine Weile mit seinem unverschließbaren Auge an, dann setzt er sich rittlings auf den Zahnarztstuhl, schlingt die Arme um die Rückenlehne und legt die Stirn auf die Kopfstütze.
    Am Tisch nimmt Bodie eine Spritze und füllt sie mit einer klaren Flüssigkeit aus einem Messbecher, der unter einer Pipette mit Ventil steht. Er schüttelt die Luftblasen hinaus und tritt hinüber zu Royal.
    Bereit?, fragt er.
    Hause rein, erwidert Royal.
    Bodie beugt sich über ihn und sticht Royal die Spritze knapp unter dem Schädelansatz behutsam in den Nacken, dann drückt er langsam den Kolben nach unten, während sich Royal überall verkrampft wie ein einziger zusammengezogener Muskel.
    Leck mich fett, leck mich fett, stöhnt Royal durch zusammengebissene Zähne, als es vorbei ist. Sein ganzer Körper scheint zum Zerreißen gespannt, und seine dünne, schlecht sitzende Haut zittert und wirft überall winzige, feuchte Blasen. Nach einigen Minuten wird er wieder locker, und sein Atem geht normal.
    Jetzt ich. Bodie tauscht den Platz mit ihm.
    Als Bodie seine Injektion bekommt, gibt er keinen Laut von sich, aber Temple bemerkt, wie seine Muskeln unter den Kleidern vor Anspannung beben.
    O Gott. Royal stapft im Kreis durch den Raum. Ich hab ein Feuer in mir, Bodie. Weißt du, wie ich mich grad fühle? Ich könnt ein

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