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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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sich zu einer Kugel zusammen und streckte sich wieder. Er wand sich frei. Er schüttelte seinen Pelz ab. Er war Wolf und Sam und dann war er nur noch Sam.
    »Beeilt euch«, flüsterte Sam. Wild zuckend kauerte er vor dem Schrank. Seine Finger auf den Fliesen waren Klauen. »Beeilt euch, macht es jetzt.« Wie erstarrt stand Isabel an der Tür. »Isabel! Mach schon!«
    Sie löste sich aus ihrer Starre, kam zu uns herüber und hockte sich neben Sam, neben seinen nackten Rücken. Er biss sich so fest auf
    die Lippe, dass sie blutete. Ich kniete mich hin und nahm seine Hand.
    Seine Stimme klang verzerrt. »Grace - beeil dich. Ich bin schon fast wieder weg.«
    Isabel stellte keine weiteren Fragen. Sie griff nur nach seinem Arm, drehte ihn und stach die Nadel hinein. Es gelang ihr, die Spritze zur Hälfte hinunterzudrücken, aber dann bekam er einen heftigen Krampf und die Nadel rutschte aus dem Arm. Sam wich vor mir zurück, zog seine Hand weg und übergab sich.
    »Sam -«
    Aber er war fort. In der Hälfte der Zeit, die er gebraucht hatte, um zum Menschen zu werden, war er wieder ein Wolf. Er zitterte, schwankte, seine Krallen kratzten über die Fliesen, er fiel zu Boden.
    »Es tut mir leid, Grace«, sagte Isabel. Mehr nicht. Sie legte die Spritze auf den Tisch. »Mist, ich glaub, ich hab Jack gehört. Bin gleich wieder da.«
    Die Tür öffnete und schloss sich. Ich kniete mich neben Sams Körper und vergrub mein Gesicht in seinem Fell. Sein Atem klang rau und erschöpft. Und alles, woran ich denken konnte, war: Ich habe ihn getötet. Das hier wird ihn umbringen.

  Kapitel 61 - Grace (2°C)
    E s war Jack, der die Tür des Behandlungsraums öffnete. »Grace, komm schon. Wir müssen gehen - Olivia geht's nicht so gut.« Ich stand auf, mein tränenüberströmtes Gesicht war mir peinlich. Ich drehte mich weg, um die benutzte Spritze in den Sondermüllbehälter in der Ecke zu werfen. »Ich kann ihn nicht allein tragen.«
    Er warf mir einen finsteren Blick zu. »Darum hat Isabel mich ja hergeschickt.«
    Ich blickte nach unten und mein Herz setzte aus. Kein Wolf. Ich wirbelte herum, duckte mich, um unter den Tisch sehen zu können.
    »Sam?«
    Jack hatte die Tür offen gelassen. Das Zimmer war leer. »Hilf mir suchen!«, schrie ich Jack an und drängte mich an ihm vorbei auf den Krankenhausflur. Keine Spur von Sam. Als ich den Flur hinunterrannte, sah ich ganz am Ende eine Tür weit offen stehen - dahinter die schwarze Nacht. Dorthin wäre ein Wolf als Erstes gelaufen, wenn die Beruhigungsmittel nachließen. Flucht. Nacht. Kälte.
    Ich sprintete auf den Parkplatz und suchte nach irgendeinem Zeichen von Sam in dem schmalen Ausläufer des Boundary Wood, der sich hinter der Klinik erstreckte. Aber es war dunkler als dunkel. Kein Licht. Kein Laut. Kein Sam.
    »Sam!«
    Ich wusste, er würde nicht kommen, selbst wenn er mich hörte. Sam war stark, aber seine Instinkte waren stärker.
    Ich konnte den Gedanken an ihn nicht ertragen, daran, dass er irgendwo da draußen war, während sich eine halbe Ampulle infizierten Blutes langsam in seinem Körper verteilte.
    »Sam!« Meine Stimme war ein Heulen, ein Jammern, ein klagender Laut, der die Nacht durchschnitt. Er war weg.
    Scheinwerfer blendeten mich: Isabels Geländewagen raste heran und kam ruckhaft neben mir zum Stehen. Isabel lehnte sich von der Fahrerseite herüber und stieß die Beifahrertür auf, ihr Gesicht geisterhaft erleuchtet vom Licht des Armaturenbretts.
    »Steig ein, Grace. Schnell, verdammt noch mal! Olivia verwandelt sich und wir sind schon viel zu lange hier.«
    Ich konnte ihn nicht zurücklassen.
    »Grace!«
    Jack kletterte auf den Rücksitz, er zitterte; seine Augen flehten mich an. Es waren dieselben Augen, die ich ganz am Anfang gesehen hatte, nach seiner allerersten Verwandlung. Ganz am Anfang, als ich noch keine Ahnung hatte.
    Ich stieg ein und schlug die Tür hinter mir zu. Dann sah ich aus dem Fenster, gerade rechtzeitig, um einen weißen Wolf am anderen Ende des Parkplatzes auszumachen. Shelby. Sie lebte, genau wie Sam es vermutet hatte. Ich starrte sie im Rückspiegel an; der Wolf stand auf dem Parkplatz und blickte uns nach. Ich glaubte, etwas wie Triumph in ihren Augen zu lesen, da drehte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit.
    »Welcher Wolf ist das?«, fragte Isabel.
    Doch ich konnte nicht antworten. Alles, was ich denken konnte, war: Sam, Sam, Sam.

  Kapitel 62 - Grace (4°C)
    I ch glaube, Jack geht es nicht gut«, sagte Olivia. Sie saß auf dem

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