Nach Dem Sommer
kreisten. Auf gewisse Weise war das hier sogar noch besser als ein Kuss.
Wir fuhren beide zusammen, als jemand auf meiner Seite an die Scheibe klopfte. Dort stand der Abschleppdienstfahrer und Gebrauchtwagenhändler in einer Person und spähte zu uns herein. Gedämpft hörten wir ihn durch das Glas: »Na, den Richtigen gefunden?«
Grace griff über mich hinweg und kurbelte das Fenster herunter. Sie antwortete ihm, wendete den Blick dabei aber nicht von mir: »Absolut.«
Kapitel 18 - Grace (3°C)
I n dieser Nacht schlief Sam wieder bei mir im Bett, zuerst ganz sittsam am äußersten Matratzenrand, aber im Laufe der Nacht wanderten unsere Körper aufeinander zu. Als ich frühmorgens -lange vor Sonnenaufgang, der Mond durchflutete mein Zimmer mit seinem fahlen, klaren Licht - einmal kurz wach wurde, lag ich an Sams Rücken gedrückt da, die Fäuste wie eine Mumie vor der Brust verschränkt. Ich konnte kaum mehr ausmachen als den dunklen Bogen seiner Schulter, und etwas an ihrer Krümmung, an der Botschaft, die sie aussandte, erfüllte mich mit einer Art grimmiger, unbändiger Zuneigung. Er war so warm und er roch so gut, nach Wolf, nach Bäumen - zu Hause. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Schulter und schloss die Augen wieder. Mit einem sanften Laut schmiegte er sich näher an mich.
Gerade als ich langsam wieder einschlief und meine Atemzüge so regelmäßig wurden wie seine, glühte plötzlich ein Gedanke in mir auf: Ohne das hier kann ich nicht leben.
Es musste ein Heilmittel geben.
Kapitel 19 - Grace (22°C)
A m nächsten Tag war es ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, fast zu schön, um in die Schule zu gehen, aber noch einen Tag konnte ich ohne eine richtig gute Entschuldigung unmöglich fehlen. Nicht dass ich wirklich was verpasst hätte, aber wenn man so gut wie nie im Unterricht fehlt, fällt es besonders auf, wenn es doch mal vorkommt. Rachel hatte schon zweimal angerufen und mir mit Unheil verkündender Stimme auf den Anrufbeantworter gesprochen, es sei »der falsche Tag zum Blaumachen, Grace Brisbane!«. Olivia hatte sich nach unserem Streit nicht mehr gemeldet, also nahm ich mal an, dass wir immer noch nicht miteinander redeten.
Sam fuhr mich mit dem Bronco zur Schule, sodass ich noch schnell einen Teil der Englischhausaufgaben vom Vortag erledigen konnte. Als der Wagen stand, stieß ich die Tür auf und ließ einen Schwall warmer Luft herein. Mit gesenkten Lidern wandte Sam das Gesicht zur Tür.
»Ich liebe dieses Wetter. Da kann ich ich sein.«
Als ich ihm so zusah, wie er die Sonne in sich aufsaugte, schien der Winter auf einmal Ewigkeiten entfernt, und ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass er mich irgendwann verlassen musste. Ich versuchte, mir die gebogene Linie seiner Nase und den Schwung seiner Lippen einzuprägen, damit ich sie später in meine Tagträume einbauen konnte.
Einen Augenblick lang durchzuckte mich irrationalerweise das schlechte Gewissen, dass meine Gefühle für Sam jetzt das verdrängten, was ich früher für meinen Wolf empfunden hatte - bis mir wieder einfiel, dass er ja mein Wolf war. Wieder einmal hatte ich das seltsame Gefühl, dass der Boden unter mir nachgab, einfach Sams schierer Anwesenheit wegen, und gleich darauf war ich erleichtert. Mit meiner Besessenheit war es jetzt so ... einfach. Alles, was ich jetzt noch erklären musste, war, wo plötzlich mein neuer Freund herkam.
»Tja, ich muss dann wohl gehen«, seufzte ich. »Nicht dass ich große Lust dazu hätte.«
Sam schlug die Augen wieder ganz auf und sah mich an. »Wenn du wiederkommst, bin ich hier, versprochen.« Sehr formell bat er: »Dürfte ich vielleicht dein Auto nehmen? Ich möchte mal gucken, ob Beck sich schon verwandelt hat, und falls ja, ob in seinem Haus der Strom noch angestellt ist.«
Ich nickte, auch wenn ein Teil von mir hoffte, dass der Strom dort nicht lief. Insgeheim wünschte ich mir, Sam würde weiter bei mir im Bett schlafen, wo ich verhindern konnte, dass er verschwand, wie ein Traum. Der er ja auch war. Ich nahm meinen Rucksack und stieg aus dem Bronco. »Lass dir keinen Strafzettel verpassen, du Rennfahrer.«
Als ich um die Motorhaube herumgegangen war, kurbelte Sam sein Fenster herunter. »Hey!«
»Was ist?«
»Komm mal her, Grace«, bat er schüchtern. Ich lächelte, als ich meinen Namen aus seinem Mund hörte, und trat zu ihm ans Fenster, und als mir klar wurde, was er wollte, wurde mein Lächeln noch breiter. Seinen zurückhaltenden Kuss ließ ich ihm nicht
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