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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Seite auf die andere gewälzt und sah am Samstagmorgen so geschafft aus, dass ich ihn, statt irgendwelche Pläne für den Tag zu machen, aufs Sofa verfrachtete, sobald meine Eltern zu einem Brunch bei Freunden aufgebrochen waren.
    Ich lag in Sams Arm gekuschelt, während er zwischen mehreren schlechten Fernsehfilmen hin- und herzappte. Schließlich blieben wir bei einem Science-Fiction-Thriller hängen, der vermutlich weniger gekostet hatte als mein Bronco. Die gummiartigen Tentakel waren schon so gut wie überall, als Sam schließlich etwas sagte.
    »Macht es dir was aus? Dass deine Eltern sind, wie sie sind?«
    Ich vergrub mein Gesicht in seiner Armbeuge. Da roch es so schön nach Sam. »Ich will jetzt nicht drüber reden.«
    »Aber ich will drüber reden.«
    »Ach, wieso denn? Was gibt es da schon groß zu bereden? Es ist in Ordnung. Sie sind in Ordnung. Sie sind nun mal so.«
    Sams Hand glitt zu meinem Kinn und hob mein Gesicht sanft an. »Grace, es ist nicht in Ordnung. Ich bin jetzt seit - wie vielen Wochen hier? Ich weiß es noch nicht mal mehr. Aber ich weiß, was ich sehe, und das ist nicht in Ordnung.«
    »So sind sie nun mal. Ich wusste gar nicht, dass Eltern anders sein können, bis ich in die Schule kam. Bis ich angefangen habe zu lesen. Aber ganz im Ernst, Sam, es macht mir nichts aus.«
    Meine Wangen glühten. Ich zog mein Kinn aus seiner Hand und sah zum Fernseher, wo gerade ein Kleinwagen im Schleim versank.
    »Grace«, sagte Sam sanft. Er saß so still, als wäre plötzlich ich das wilde Tier, das weglaufen würde, sobald er nur mit einem Muskel zuckte. »Bei mir brauchst du dich nicht zu verstellen.«
    Ich beobachtete, wie sich der Wagen mitsamt Insassen in seine Einzelteile auflöste. Mit ausgeschaltetem Ton war es schwer zu sagen, was genau da vor sich ging, aber es sah aus, als verwandelten sich die Teile in Tentakel. Im Hintergrund führte gerade ein Mann seinen Hund spazieren und schien von alldem nichts mitzubekommen. Wie konnte er davon denn nichts mitbekommen?
    Ich sah nicht zu Sam, aber ich wusste trotzdem, dass er mich ansah und nicht den Fernseher.
    Was er wohl von mir hören wollte? Es gab einfach nichts zu sagen. Das Verhalten meiner Eltern war doch kein Problem. Es war eben ihr Lebensstil.
    Die Tentakel im Fernseher fingen an, über den Boden zu kriechen, auf der Suche nach dem ursprünglichen Tentakelmonster, um sich mit ihm zusammenzuschließen. Aber das konnten sie vergessen. Der Ausgangsalien stand nämlich in Washington, D.C. in Flammen und zerfloss, langsam und anschaulich neben einer Nachbildung des Washington Monument. Die neuen Tentakel würden die Welt wohl allein erobern müssen.
    »Was soll ich denn tun, damit sie mich mehr lieben?«
    Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Das hatte gar nicht nach mir geklungen. Sam strich mir über die Wange, aber da waren keine Tränen. Ich dachte überhaupt nicht daran, zu weinen.
    »Grace, sie lieben dich doch. Es hat nichts mit dir zu tun. Das ist einfach ihr eigenes Problem.«
    »Ich hab mir so viel Mühe gegeben. Ich mache nie Ärger. Ich mache immer meine Hausaufgaben. Ich koche ihnen ihr verdammtes Essen, wenn sie überhaupt zu Hause sind, was ja so gut wie nie ist.« Das klang definitiv nicht nach mir. Ich fluchte sonst nie. »Ich wäre fast gestorben, zwei Mal, aber selbst das hat nichts geändert. Ich verlange ja gar nicht, dass sie den ganzen Tag um mich herumspringen. Ich will doch nur, dass sie einmal - Ich will -« Ich konnte den Satz nicht zu Ende führen, weil ich keine Ahnung hatte, wie er endete.
    Sam zog mich in seine Arme. »Oh Grace, tut mir leid. Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.«
    »Ich weine nicht.«
    Er strich mir mit dem Daumen über die Wange, ganz vorsichtig, und zeigte mir die Träne, die er mit der Fingerspitze weggewischt hatte. Ich kam mir ziemlich blöd vor und ließ zu, dass er mich auf seinen Schoß zog und meinen Kopf unter sein Kinn bettete. Hier im tröstlichen Schutz seiner Arme fand ich endlich auch meine eigene Stimme wieder. »Wahrscheinlich bin ich einfach zu brav. Vielleicht sollte ich mal Ärger in der Schule machen oder anderer Leute Garagen anstecken, dann müssten sie mich endlich mal bemerken.«
    »So bist du aber nicht. Das weißt du ganz genau«, erwiderte Sam. »Deine Eltern sind einfach ein bisschen stumpf und egoistisch, das ist alles. Entschuldige, dass ich so gebohrt habe, okay? Lass uns einfach diesen bescheuerten Film zu Ende gucken.«
    Ich legte die Wange an seine Brust

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