Nach Dem Sommer
stöhnte Isabel auf. »Ich dachte, das wäre Geheimsprache für irgendwas anderes.« Ich grinste sie an und sie verdrehte gequält die Augen. Aber sie übertrieb den Gesichtsausdruck - ich nahm ihr die Genervtheit nicht ganz ab. Etwas in ihrem Blick verriet mir, dass die Situation sie zumindest neugierig machte. Und die Situation war folgende: Ich würde Isabel nicht trauen, bis ich mir über ihren Charakter verdammt sicher sein konnte.
Grace' Mutter kam herein, sie roch nach Terpentin mit Orangenaroma. »Hi, Sam. Du machst also auch mit Quiche?«
»Ich tu mein Bestes«, gab ich feierlich zurück.
Sie lachte. »Klingt doch gut! Und wen haben wir hier?«
»Isabel«, antwortete Grace. »Mom, weißt du, wo das grüne Kochbuch ist? Es stand doch immer hier. Da drin ist das Quicherezept.«
Hilflos zuckte ihre Mom mit den Schultern und kniete sich vor einen der Kartons auf dem Boden. »Dann ist es wohl weggelaufen. Was ist das denn für ein Mist im Radio? Sam, da findest du doch was Besseres.«
Während Grace noch zwischen den Kochbüchern am einen Ende der Theke herumkramte, zappte ich mich durch die Radiosender, bis ich einen fand, der ziemlich cool klang. Grace' Mom rief: »Stopp, der da ist gut!«, und stand auf, einen Karton unter dem Arm. »Ich glaube, mein Werk hier ist getan. Viel Spaß, Leute. Ich komme wieder ... irgendwann.«
Grace schien sie kaum zu bemerken, sondern gestikulierte schon geschäftig herum. »Isabel, im Kühlschrank sind Eier, Käse und Milch. Sam, wir machen jetzt einen guten alten Mürbeteig. Kannst du schon mal den Ofen auf 225 Grad vorheizen und ein paar Schüsseln aus dem Schrank holen?«
Hilflos starrte Isabel in den Kühlschrank. »Hier sind so ungefähr achttausend Käsesorten drin. Sieht für mich alles gleich aus.«
»Dann machst du eben das mit dem Ofen und lässt Sam den Käse und den anderen Kram aus dem Kühlschrank holen. Der kennt sich mit Essen aus«, bestimmte Grace. Auf Zehenspitzen versuchte sie, das Mehl aus einem der Oberschränke zu kramen; es sah umwerfend aus, wie sie sich streckte, und ich musste an mich halten, um ihr nicht die Hand auf den nackten Rücken zu legen, der dabei unter ihrem T-Shirt-Rand sichtbar wurde. Aber dann hatte sie das Mehl schon in der Hand und die Gelegenheit war vorbei, also tauschte ich den Platz mit Isabel, nahm einen kräftigen Cheddar,
Eier und Milch aus dem Kühlschrank und legte alles auf die Arbeitsplatte.
Als ich die Eier aufgeschlagen und etwas Mayonnaise daruntergezogen hatte, war Grace schon dabei, Butter und Mehl in einer Schüssel zu verkneten. Plötzlich war alles voller Betriebsamkeit, als wären wir eine ganze Küchenmannschaft.
»Igitt, was ist das denn?«, kreischte Isabel auf und starrte auf eine Schale, die Grace ihr gereicht hatte.
Grace prustete vor Lachen. »Das sind Pilze.«
»Die sehen ja aus, als wären sie bei einer Kuh hinten rausgekommen.«
»Die Kuh hätte ich gern«, gab Grace zurück und beugte sich an Isabel vorbei, um einen Stich Butter in eine Pfanne zu geben. »Ihr Hintern wäre Millionen wert. So, jetzt brätst du die in der Pfanne an, bis sie schön appetitlich aussehen.«
»Wie lange denn?«
»Bis sie appetitlich aussehen«, wiederholte ich.
»Also, du hast gehört, was der Junge sagt«, schloss Grace. Sie streckte die Hand aus. »Quicheform!«
»Hilf du ihr«, sagte ich zu Isabel. »Ich kümmere mich um das Appetitliche, du hast damit ja anscheinend nichts am Hut.«
»Ich bin schon appetitlich genug«, murrte Isabel. Sie reichte Grace zwei Quicheformen, die diese - schnell wie von Zauberhand - mit dem Teig auslegte. Dann zeigte sie Isabel, wie sie die Ränder andrücken musste. Das Ganze wirkte sehr geübt, und ich hatte den Eindruck, dass Grace wesentlich schneller fertig gewesen wäre, wenn Isabel und ich ihr nicht dauernd im Weg gestanden hätten.
Isabel sah, wie ich über den Anblick der beiden beim Teigränder zurechtfriemeln lächelte. »Was gibt's denn da zu grinsen? Pass du mal lieber auf deine Pilze auf!«
Gerade noch rechtzeitig konnte ich die Pilze retten und warf den Spinat dazu, den Grace mir in die Hand drückte.
»Meine Wimperntusche!«, erhob sich Isabels Stimme über den ansteigenden Lärm, sie und Grace lachten und weinten gleichzeitig, während sie die Zwiebeln klein schnitten. Dann stieg das würzige Aroma auch mir in die Nase und meine Augen brannten.
Ich hielt ihnen meine Pfanne hin. »Schmeißt sie da rein, dann ist es nicht mehr so schlimm.«
Isabel schob sie
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