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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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war rot, er keuchte, hustete und spuckte das dreckige Wasser aus. Der Junge nahm die Flinte fester in die Hand. Das Mädchen versteckte sich hinter ihm und schrie ihn an, er solle schießen. Erschieß ihn, los, erschieß ihn jetzt!
    Cohen richtete sich ganz auf, wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und nahm die Arme hoch, als Zeichen, dass er aufgab.
    »Worauf wartest du noch?«, sagte das Mädchen und stieß dem Jungen auffordernd gegen die Schulter.
    Er spannte beide Abzugshähne, drückte den Abzug, und es kam nur ein Klick. Er drückte noch mal, und wieder klickte es. »Heilige Scheiße«, sagte er, rutschte hastig hinters Lenkrad und betätigte den Anlasser. Cohen bewegte sich auf sie zu, das Mädchen schrie, der Junge kämpfte sich mit der Gangschaltung ab und legte den ersten Gang ein, genau in dem Moment, als Cohen nach vorn hechtete. Cohen prallte mit der Schulter gegen die Motorhaube, als der Jeep einen Sprung nach vorn machte. Wieder fiel er ins Wasser, trieb dort betäubt herum und schnappte nach Luft. Die Wellen, die sich im Kielwasser des Jeeps ausbreiteten, wogten über ihn hinweg. Der Jeep fuhr zum Highway hinauf, und das Mädchen stand aufrecht auf der Ladefläche, mit dem Rücken zur Straße. Ihre Haare flatterten im Fahrtwind, während sie Cohen beobachtete.
    Cohen stand aus dem Wasser auf, sein rechter Arm hing schlaff nach unten. Er musste gar nicht erst hinsehen, um zu wissen, dass er ausgekugelt war. Er blieb stehen, versuchte, zu Atem zu kommen, und verzog das Gesicht vor Schmerz. Wasser und Blut rannen ihm über Gesicht und Hals, auf seiner Stirn klaffte eine Wunde, die er sich beim Sturz zugezogen hatte. Als er wieder gleichmäßig atmen konnte, stapfte er aus dem Wasser, das ihm bis zum Oberschenkel reichte. Seine rechte Seite lahmte. Es war sehr anstrengend, da rauszukommen, sein Hals brannte. Er wollte zuerst aus dem Wasser sein, bevor er sich um seine Schulter kümmerte, aber dann wurde er doch ungeduldig. Er tastete das Gelenk ab, um zu prüfen, wie er es wieder einrenken könnte. Dann holte er tief Luft, hob mit der linken Hand den rechten Arm und drückte zu. Das Gelenk schnappte nicht ein, er schrie auf, ging in die Knie und fluchte. Oh verdammt, oh verdammt, stöhnte er vor sich hin. Und dann hob er, ohne noch mal aufzustehen, voller Wut den Arm, es machte plopp, und er spürte einen höllischen Schmerz, aber der Knochen war wieder eingerenkt.
    Er schrie auf, tauchte den Kopf ins kalte Wasser, hob ihn wieder an und spuckte das Wasser aus. Dann richtete er sich auf und ging los. Es dauerte einige Minuten, bis er aus dem Wasser war und sich auf den Asphalt zwischen die nassen Spuren des Jeeps hocken konnte. Er fror, er war völlig durchnässt, und das Blut lief aus der Wunde an seiner Stirn. Der Schmerz breitete sich von seiner Schulter über seinen Rücken aus, und die rote Linie an seinem Hals schwoll an. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht und tastete mit den Fingerspitzen nach der klaffenden Wunde. Seine Strickmütze schwamm im Wasser. Er stand auf, watete erneut hinein, um sie zu holen, und drückte sie auf die Wunde. Dann watete er wieder hinaus, schaute hinter sich zu den Wolken, die sich zusammenballten, und den Blitzen, die über den Himmel zuckten. Das Unwetter war noch weit entfernt, aber es kam immer näher. Vor ihm versank die Sonne, und ein rötlicher Schimmer breitete sich über den ganzen Horizont aus. Es war ziemlich kühl, aber es würde noch kälter werden, wenn die Sonne ganz untergegangen war. Und er war meilenweit von zu Hause entfernt.
    Er schaute sich um. Nichts außer Land und Wasser. Aber hier konnte er nicht bleiben, also machte er sich auf den Weg über den Highway. Er war tropfnass, blutete, hatte schlimme Schmerzen, und die Wolken trieben direkt auf ihn zu.

3
    Es war fast dunkel, es donnerte, und im Osten waren überall Blitze zu sehen. Der Wind blies stärker, die Temperatur sank. Cohen zitterte in seinen nassen Klamotten. Er versuchte sich zu erinnern, während er voranging. Versuchte, sich an alles zu erinnern, was entlang der Straße noch stand. Oder wenigstens zur Hälfte übrig war. Irgendwas, wo er während der Nacht Schutz suchen konnte, bevor das Unheil, das diese Wolken verhießen, über ihm losbrach. Aber es war nichts weiter übrig bis auf eine kleine Kirche an einer Landstraße, und er konnte sich gar nicht erinnern, wie sie eigentlich hieß, denn diese Kapellen sahen alle gleich aus. Vielleicht war die kleine Kirche ja noch da. Er

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