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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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konnte. Er wünschte, er wäre ausgestiegen und durch den Sturm zu ihnen gegangen, hätte sich noch mal zu ihnen in den Pick-up gesetzt und das Baby gehalten. Wie gern hätte er Nadine und Kris gesagt, dass er ihre Tapferkeit bewunderte und gern länger bei ihnen geblieben wäre. Um sie noch mal zu sehen und zu sprechen, bevor sie für immer fort waren. Bestimmt waren sie jetzt in Sicherheit. Bestimmt wurden sie an einen Ort gebracht, wo man ihnen weiterhalf. Aber er wusste auch: Wenn alles so schnell zu Ende gehen konnte, dann konnte andererseits auch alles sehr plötzlich beginnen. Und dieser Neuanfang erweckte eine gewisse Hoffnung.
    Zwei Tage war er sauber geblieben und trocken. Hatte sich auf die anderen und ihre Gedanken eingelassen. Hatte sie berührt und war berührt worden. Irgendwann in der zweiten Nacht, als er ganz ruhig neben ihr lag und an die anderen dachte, als er seine Träume vorbeiziehen ließ, in denen freundliche Stimmen zu hören waren und die Sonne schien, entschied er, dass der Jeep und der Schuhkarton dort bleiben konnten, wo sie waren. Die Straße führte jetzt nach vorn.
    Mariposa stand am Fenster und schaute über den Platz. Es war Abend, und die Lichter in den meisten Häusern waren erloschen. Nur aus den Lokalen, die wer weiß wie lange geöffnet hatten, fiel helles Licht. Die Musik hatte angefangen, und die scheppernden Klänge einer elektrischen Gitarre und eines linkisch gespielten Schlagzeugs drangen durch die Nacht und den Regen, der nicht aufhören wollte. Cohen saß auf dem Bett und schaute fern, versuchte herauszufinden, wann die Flaute kam, diese wenigen Stunden, wenn der Regen innehielt und der Wind zur Ruhe kam, bevor anschließend der nächste Sturm von der Küste hereinbrach. Aus dem Nebenzimmer drang das Geräusch des anderen Fernsehers. Dort saßen Evan und Brisco seit Tagen wie hypnotisiert vor dem kleinen Bildschirm, der nur zwei Programme zeigte, eins davon auf Spanisch.
    Sie hatte die Bettdecke um sich geschlungen, wie sie es in den vergangen zwei Tagen meistens tat. Sie zogen sich nur komplett an, wenn sie nach unten ins Café gingen, um etwas zu essen. Sie wandte sich vom Fenster ab, setzte sich aufs Bett und lehnte sich an ihn, die Hand auf dem nackten Bauch.
    Er hob die Fernbedienung an und schaltete den Apparat aus.
    »Die Flaute kommt. Heute Nacht. Um Mitternacht wird es ruhig. Vor dem Morgengrauen«, sagte er. »Das ist unsere Chance, hier wegzukommen.«
    Sie löste sich von ihm und lehnte sich gegen das Kopfende des Betts. Er stand auf und zog Hemd und Jeans an.
    Sie setzte sich im Schneidersitz hin und umfasste ihre Knie. »Was ist mit dem Jeep?«, fragte sie.
    »Der Jeep ist mir egal.«
    »Und die anderen Sachen?«
    »Welche anderen Sachen?«
    »Ihre Sachen. Und deine. Der Schuhkarton.« Sie streckte die Beine aus und legte die Hände ineinander.
    Er setzte sich auf die Bettkante. »Ist alles fort.«
    »Vielleicht aber auch nicht.«
    »Doch. Es ist alles vorbei.«
    »Es ist in Ordnung, wenn du es so willst.«
    »Ich weiß es, und ich will es so. Ich will nicht mein Leben dafür aufs Spiel setzen. Jetzt nicht mehr.«
    Er stand auf und ging durchs Zimmer zum Fenster. Es war fast ganz dunkel, das Grau der Dämmerung wurde schwarz. Eine Neonleuchte schimmerte an der Ecke eines Gebäudes weiter rechts. Er schob die Hände in die Hosentaschen und dachte an Elisa. Er fragte sich, ob es überhaupt möglich war, in eine andere Welt einzugehen und dort zu leben, wo es nur Licht und keinen Regen und keinen Schmerz gab.
    Er drehte sich um und schaute Mariposa an.
    »Es gibt mehr als nur einen Grund, warum ich den Jeep zurückhaben wollte. Und eines Tages werde ich es dir sagen, aber nicht heute Abend.«
    »Ich habe von dir geträumt«, sagte sie hastig, als wollte sie ihn unterbrechen. »Du bist weggegangen und nicht mehr zurückgekommen.« Es sprudelte aus ihr hervor wie etwas, dass sie lange zurückgehalten hatte.
    Er setzte sich neben sie aufs Bett. Draußen hörte man lautes Aufheulen. Die Musik heulte auf. Der Sturm heulte. Ihm war nun bewusst, dass sie ihr Schicksal an seins geknüpft hatte. Und er dachte, dass er wahrscheinlich das Gleiche tat.
    Sie rutschte vom Bett und begann sich anzuziehen. Er ging auf sie zu und blieb vor ihr stehen. »Ich werde nicht weggehen«, sagte er.
    Sie schaute ihn nicht an.
    »Mariposa«, sagte er und wartete, bis sie ihn ansah. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und wartete, bis sie sich ihm zuwandte. »Ich werde nicht

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