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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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Männer weitergraben könnte. Er hatte dabei an Cohen gedacht, wusste aber, dass er auf ihn nicht zählen konnte. Er überlegte, ob jemand von den Männern unten auf dem Platz in Frage käme, aber da konnte er sich wahrscheinlich gleich selbst die Kehle durchschneiden und ihnen die Arbeit ersparen. Er hatte schon zu hart gearbeitet und zu viele Löcher ausgehoben. Er wollte nicht, dass diese Aasgeier ihn übertölpelten.
    Er saß immer noch am Fenster, als Cohen sich wieder über den Gehsteig näherte. Hier und da hielt er an und sprach mit jemandem. Dann ging er weiter. Er hatte sich immer über Cohen gewundert und wunderte sich nach wie vor. Warum blieb einer wie er, der das überhaupt nicht nötig hatte, freiwillig da unten? Das verstand Charlie überhaupt nicht. Jedes Mal, wenn er Cohen traf, hatte er versucht, ihn zu überreden, mit ihm zu kommen und für ihn zu arbeiten. Wenn du schon da unten rumlungerst, dann verdien dir wenigstens was dabei, hatte er ihm gesagt. Du könntest leben wie ein König. Es ergibt doch überhaupt keinen Sinn, den Kopf einzuziehen und darauf zu warten, dass man vom Sturm weggeblasen wird. Verdammt, sogar dein Vater wusste, wie man aus einem Vierteldollar einen ganzen macht.
    Zuerst war er überrascht gewesen, dass Cohen sein Angebot ablehnte, aber dann wurde es praktisch zur Routine. Es gehörte zu seinen Fahrten an die Küste. Es gehörte dazu, dass Cohen auftauchte, sich aussuchte, was er brauchte, und Charlie dafür bezahlte. Cohen zahlte immer korrekt, und damit war das Gespräch zwischen ihnen beiden beendet. Charlie machte sich keine Sorgen um Cohens Wohlbefinden. Cohen reichte ihm einen Hundertdollarschein und sagte, den Rest kannst du behalten. Charlie hörte auf, ihn mit Fragen zu nerven, warum er tat, was er tat, und erwiderte, also dann, bis zum nächsten Mal.
    Er hat mir immer einen Hundertdollarschein gegeben, dachte Charlie. Und nie wollte er was zurückhaben.
    Er stand auf und stellte fest, dass Cohen unten auf dem Gehsteig weitergegangen und bereits außer Sicht war.
    Er hat mir immer einen Hundertdollarschein gegeben. Und dann fiel ihm ein, wie Cohen sich über den Bagger lustig gemacht hatte. Wie er sich über die Grabräuber und Schatzsucher lustig gemacht hatte, und wie idiotisch es wäre, an zufällig ausgewählten Orten Löcher zu graben, während der Sturm tobte. Und er hörte wieder, wie Cohen sagte, du bist ja verrückt, wenn du dich für etwas erschießen lässt, was gar nicht da ist. Ist doch egal, was man sich erzählt, hier an der Küste oder in der Nähe der Casinos wurde kein Geld vergraben. Du solltest lieber deinem Alltagsgeschäft nachgehen, anstatt einen Bagger als Kugelfang zu benutzen. Das wäre mein Tipp.
    Immer, immer, immer wieder, dachte Charlie, hat er das Gleiche gesagt, und immer hat er mit einem Hunderter bezahlt. Immer.
    Charlie rannte die schmale Treppe hinunter und trat auf die Straße. Er entdeckte Cohen gegenüber vom Café und rannte quer über den Platz, um vor Cohen beim Café anzukommen. Er trat ein und fragte die Köchin, ob Big Jim da wäre, und sie sagte, der ist gerade gekommen.
    »Wo ist er?«
    Sie deutete durch die Schwingtür, die in den Vorratsraum führte. Charlie lief zwischen den Tischen hindurch und dann durch die Schwingtür. Big Jim saß im Vorratsraum auf einem Stuhl und öffnete einen rechteckigen Karton mit einem Teppichmesser. Der abgesägte Billardstock lag neben ihm auf dem Boden.
    Big Jim schaute auf und sagte: »He, Charlie, wo kommst du denn her?«
    »Ich hab keine Zeit für so was. Wegen Cohen: Mit was hat er dich bezahlt?«
    »Geld«, sagte Big Jim, klappte den Karton auf und nahm Tüten mit Plastikbechern heraus.
    »Hundertdollarscheine?«
    Big Jim nickte.
    »Zeig mir mal einen davon.«
    »Ich zeig dir gar nichts. Außerdem hab ich sie längst ausgegeben.«
    »Du hast sie nicht ausgegeben. Ich weiß, dass du sie irgendwo aufbewahrst. Und ich muss sie sehen.«
    »Ich zeig dir das Geld nicht und schon gar nicht, wo ich es versteckt habe.«
    »Klar machst du das«, sagte Charlie. »Du machst es, weil ich dir sonst nämlich nichts mehr liefere, nicht dir und keinem sonst hier in der Gegend. Du zeigst mir jetzt die Scheine, oder der Zug ist für dich abgefahren.«
    Big Jim holte tief Luft. Warf den Karton beiseite und stand auf. »Ich hab keine Ahnung, was das soll. Aber dann komm halt mit.«
    Charlie folgte ihm. Sie gingen zum Stapel von Kisten und einige Regale herum in den hinteren Bereich des Vorratsraums.

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