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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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Quellen des ewigen Lebens und die Gebirge aus Gold und Edelsteinen genauso wenig existierten wie die Ungeheuer mit den spitzen Schädeln und langen Hälsen, die sie sich vorgestellt hatten. Oder hatte die unbekannte Welt ihnen auch so genügt, egal, was sie ihnen zu bieten hatte? Egal, was sie fanden oder wen sie trafen, als sie dort ankamen. Vielleicht genügte es ihnen ja schon, dass es unbekannt war und es dort genug für sie zu essen gab. Genug, um ihren Geist mit dem zu erfüllen, was sie von hohen Felsplateaus aus sahen. Genug, um die Wagnisse aufzuwiegen, die sie eingegangen waren. Das Unbekannte reichte aus, es war das Besondere. Und als Cohen nun Richtung Süden blickte, zu dem rosa gefärbten Horizont, dachte er, dass dies wohl die perfekte Welt für einen derartigen Menschen gewesen wäre.
    Er beugte sich nach unten und befühlte das getrocknete Blut an seinem Bein. Hinter ihm standen die Frauen zusammen, schauten das Baby an und sprachen leise miteinander, als würden sie irgendwelche besonderen Informationen austauschen. Ava hielt den Jungen in den Armen. Sein rosiger Kopf ragte aus der Decke, er hatte die Augen halb geöffnet, und aus seinen Mund kam ein kläglicher Schrei. Wenn sie nicht flüsterten, gaben die Frauen besänftigende Laute von sich und streckten ihre schmutzigen Hände aus, um den Kleinen zu liebkosen, seinen kleinen zarten Kopf und seine Wangen zu streicheln. Aggie zerrte trockenes Holz aus einem Vorratswagen und bemühte sich, das Feuer wieder in Gang zu bringen, während sie zusammenstanden und den neuen Tag begrüßten. Abseits von den Frauen sammelten Evan und sein kleiner Bruder nasses Holz und schafften es in den Vorratswagen. Cohen hörte sie, aber er drehte sich nicht zu ihnen um. Er schaute in den Himmel und dachte über die Entdecker nach.
    Er starrte immer noch hinaus, als der blonde Junge neben ihn trat und sagte: »Ich hab das neulich nicht so gemeint.«
    Cohen drehte sich um und sah ihn an. Die Haare des Jungen klebten an seinem Kopf. Er hielt sich eine Hand vor den Mund und pustete darauf, um sie warm zu halten. Mit der anderen hielt er den kleinen Jungen fest.
    »Ich wollte ja nicht«, sagte er. »Aber ich musste.«
    »Musstest was?«
    Der Junge schaute hinter sich und sah, dass Aggie sie beobachtete. Er senkte seine Stimme, als fürchtete er, Aggie könnte über magische Fähigkeiten verfügen und sie auf diese Entfernung noch hören.
    »Nichts.«
    Cohen schaute den kleinen Jungen an und trat näher zu den beiden. »Wer bist du?«, fragte er.
    »Das ist mein kleiner Bruder. Er ist der Grund für das, was ich getan habe.« Der Kleine trug eine Baumwolljacke, die bis oben zugeknöpft war, und einen Schal um den Hals, der auch seinen Mund verdeckte. Unter dem Arm hielt er einen halb aufgepumpten Fußball.
    »Hast du einen Namen?«
    »Wen meinen Sie jetzt?«
    »Euch beide.«
    »Ich bin Evan, und das ist Brisco.«
    »Was hat er mit dir zu tun und mit dem Mädchen? Und warum habt ihr versucht, mich umzubringen?«
    Evan schüttelte den Kopf. »Ich wollte niemanden umbringen.«
    »Du hast auf mich geschossen.«
    »Aber es kam ja nichts raus.«
    »Darum geht es nicht.«
    »Ich wollte es ja gar nicht tun. Hab ich doch schon gesagt. Aggie behält Brisco bei sich, wenn er Mariposa und mich losschickt. Dann weiß er, dass ich zurückkomme. Und es ist besser, man bringt etwas mit, wenn man zurückkommt.«
    Cohen schaute an den Jungen vorbei. Aggie rauchte eine Zigarette und schaute sie an. Die Frauen reichten das Baby herum. Der Rauch des frisch entfachten Feuers stieg auf und vermischte sich mit Aggies Zigarettenrauch. Es sah aus, als würden sich Schlangen umkreisen und wachsam in die Gegend spähen. Mariposa lehnte allein an einem Wohnwagen und sah ihnen zu.
    »Halt dir die Ohren zu, Brisco«, sagte Evan. Der kleine Junge tat es, und Evan fragte leise: »Haben Sie Joe getötet?«
    Cohen überlegte, wie er darauf antworten sollte. Er wusste nicht, ob er denen sagen sollte, dass er noch nie jemanden umgebracht hatte. Er hatte noch nie auf einen geschossen. Er schoss sowieso nie, es sei denn, er musste Gewehrfeuer erwidern, um dem anderen klar zu machen, dass er in die andere Richtung verschwinden sollte. Er wusste, dass sie dann über ihn sprechen und sich über ihn wundern würden, also sagte er: »Ja.«
    Evan bückte sich und fasste einen Ballen hohes Gras. »Gut«, sagte er. Dann nahm er Briscos Hände von seinen Ohren.
    Cohen pustete auf seine Hände und rieb sich das Gesicht.

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